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Pauschalreiserichtlinie: WKO gegen EU-Vorschlag


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Die Fachverbände Reisebüros und Hotellerie in der WKO beziehen gemeinsam Stellung gegen die geplante Überarbeitung der Pauschalreiserichtlinie. Ihr Fazit: Die Überregelung bevormunde KonsumentInnen und schade der Branche und dem Wirtschaftsstandort

„Es scheint als würde die EU-Kommission mündigen Konsumenten keine informierten freien Entscheidungen, mit welcher Reiseform sie ihren Urlaub verbringen möchten, mehr zutrauen. Nicht anders kann der von der EU-Kommission im Zuge der Überarbeitung der Pauschalreiserichtlinie offensichtlich verfolgte Ansatz ‘alles muss eine Pauschalreise sein‘ verstanden werden,“ kritisiert Gregor Kadanka, Obmann des Fachverbandes der Reisebüros in der Wirtschaftskammer Österreich voller Unverständnis den neuesten Vorschlag aus Brüssel für die Reisebürobranche.

Massive Beschneidung des Angebots

Durch die von der EU-Kommission vorgeschlagenen neuen Regelungen würden Reisebüros in ihrem möglichen Angebot an verschiedenen Formen von Reiseleistungen massiv beschnitten werden. Defacto würden Reisebüros ihren KundInnen Pauschalreisen anbieten müssen, womit kaum noch auf individuelle Wünsche eingegangen werden könne, während derzeit auch andere Reiseformen, wie beispielsweise verbundene Reiseleistungen, von Reisebüros vermittelt werden können, heißt es in der Aussendung der Verbände.

Haftung als großer Risikofaktor

„Als Reiseveranstalter haftet man umfassend für jeden Leistungserbringer. Wünschen sich nun Reisende einen ganz bestimmten Leistungsträger, z.B. ein ausgefallenes Hotel in Madagaskar, ist es für das Reisebüro wirtschaftlich kaum darstellbar, eine umfassende Haftung für dieses Hotel zu übernehmen. Genau das müsste das Reisebüro aber bei einer gesetzlich verpflichtenden Pauschalreise machen“, erklärt Kadanka und führt weiter aus: „Im Extremfall müsste das Reisebüro seine Kunden mit dem Verweis, dass sie bitte das gewünschte Hotel selbst buchen sollen, wegschicken.“

Ob damit dem Konsumentenschutz gedient ist bezweifelt Kadanka massiv: „Defacto muss der Kunde in einem solchen Fall alleine ohne weitere Beratung Online-Buchungen vornehmen. Gerade die Pandemie hat uns gezeigt, dass Buchungsplattformen bei Problemen oftmals nicht erreichbar sind und mitunter die Übernahme von Haftungen von vornherein ablehnen. Dazu kommt, dass für die entsprechenden Verträge meist ausländisches Recht zur Anwendung gelangt, was im Problemfall die Durchsetzung von Rechten weiter erschwert. Auch kommt es leider immer wieder zu Betrugsfällen, in denen beispielsweise gebuchte Unterkünfte gar nicht verfügbar sind.“

Individualisierung verstärkt Problematik

Verstärkt werde die vorliegende Problematik durch den Trend zur immer weitergehenden Individualisierung von Reisen: „Wir sehen, dass unsere Kunden individuell maßgeschneiderte Reisen wünschen. Warum verhindert man mit rechtlich und wirtschaftlich kaum umsetzbaren Vorgaben zur umfassenden Haftungsübernahme, dass Kunden für solche individuellen Reisen Reisebüros in Anspruch nehmen können? Warum sollen Kunden gezwungen sein, selbst einzelne Reiseleistungen im Internet zu buchen?“ Fakt sei, dass die Kolleginnen und Kollegen in den Reisebüros absolute Profis sind, die sich im komplizierten Dschungel der Reiseformen - von Pauschalreisen bis zu einzelnen Reiseleistungen – und Reiseanbieter perfekt zu Recht finden. Wenn Kunden diese Expertise und Ansprechpartner nun genommen werden sollen, weil das Reisebüro in eine Haftung gedrängt werden soll, die es so nicht übernehmen kann, sei dies nicht nachvollziehbar. Brüssel erweise hier den Konsumenten einen echten Bärendienst, so Kadanka weiter.

Fehlende Wahlfreiheit

Aus Sicht der Branche dürfe Kunden die Wahlfreiheit nicht genommen werden. „Gut informierte Kunden sollten auch weiterhin die Wahl haben, in welchem Umfang sie ein Reisebüro in Anspruch nehmen. Dies sollte auch für die Auswahl möglicher Reiseformen gelten. Ob Pauschalreise, verbundene Reiseleistung oder Einzelleistung, ob Businessclass oder Economy, ob Luxushotel oder gemütliches Gästehaus: wichtig ist, dass unsere Kunden frei entscheiden können, welche Art von Reise zu ihnen passt“, so der Fachverbandsobmann.

Anti-KMU-Politik

Neben der fehlenden Wahlfreiheit des Kunden sehe Kadanka im aktuellen Richtlinienvorschlag eine weitere über falsch verstandenen Konsumentenschutz hinausgehende Problematik: „Leider reiht sich der vorliegende Richtlinienentwurf in eine Reihe von Maßnahmen aus Brüssel ein, die eigentlich nur als ‚Anti-Standortpolitik‘ und ‚Anti-KMU-Politik‘ bezeichnet werden können und vor allem Interessen von Großkonzernen mit Sitz außerhalb der EU, z.B. in den USA, dienen. Während europäischen Reiseveranstaltern und Reisebüros immer wieder neue Vorgaben gemacht werden – sei es im Bereich der Besteuerung von Reiseleistungen, bei überbordenden Meldepflichten im Onlinevertrieb oder eben aktuell bei der Pauschalreiserichtlinie – können Konzerne mit Sitz in Drittstaaten ungehindert in der EU wildern. Damit schadet die EU europäischen Unternehmen und Steuerzahlern.“, so Kadanka abschließend.

Hotellerie sieht Komplexität verschärft

Auch die Hotellerie kritisiert die geplanten Änderungen der Pauschalreiserichtlinie. „Die EU Kommission selbst führt als Begründung für die Änderung der Richtlinie ‚rechtliche Unklarheiten‘ und eine exzessive Komplexität an – hier stimmen wir ihr völlig zu. Dass dieses Problem nun nicht gelöst wird - sondern im Gegenteil, durch die Ausweitung der Richtlinie verschärft wird, ist völlig unverständlich“, sagt Johann Spreitzhofer, Obmann des Fachverbandes Hotellerie der WKÖ.

So soll z.B. nach den neuen Bestimmungen eine Pauschalreise auch dann vorliegen, wenn innerhalb von drei Stunden nach Zustimmung zur Zahlung der ersten Reiseleistung, eine weitere Leistung gebucht wird. „Abgesehen davon, dass völlig unklar ist, warum hier gerade drei Stunden ausschlaggebend sind, zeigt diese Regelung wie praxisfremd die geplanten Änderungen der Richtlinie sind“, so Spreitzhofer. Wie die Kommission selbst in der Begründung des Vorschlags anführt, buchen Konsumenten heute über eine breite Palette von Buchungskanälen: on- und offline, per Mail, Telefon, über Buchungsportale etc. In der Praxis werden zusätzliche Leistungen zur Übernachtung, die zu einer Pauschalreise führen können, nicht notwendigerweise über denselben Buchungskanal gebucht. „Wie soll ein Hotelier nun diese Bestimmung einhalten? Zeitgleich sämtliche Buchungskanäle überwachen und die Zeit stoppen? Das wird weder zum Schutz des Konsumenten noch zu einer Vereinfachung in der Praxis führen – ganz im Gegenteil.“ (red)


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Autor/in:

Redakteur / Managing Editor

Dieter ist seit fast 25 Jahren wichtiger Teil des Profi Reisen Verlag-Teams. Fast jedes geschriebene Wort, das die Redaktion verlässt, geht über seinen Schreibtisch.





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