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„Lehrlingsausbildung ist kein Hexenwerk“


Mag. Gregor Kadanka
Der akute Fachkräftemangel dominiert fast alle Branchen. Wirft man einen Blick auf die Zahl der ausbildenden Betriebe unter den Reisebüros, drängt sich der Verdacht auf, dass zumindest ein Teil des Problems selbst verschuldet ist. Nur 3,5% dieser touristischen Unternehmen in Österreich engagieren sich in der Lehrlingsausbildung. 

Von den knapp 2.000 Reisebüros in Österreich bilden nur 72 Lehrlinge aus. In Wien liegt das Verhältnis bei 555 zu 16. Als Schlusslichter „glänzen“ das Burgenland und Vorarlberg mit jeweils nur zwei ausbildenden Betrieben. Die Angaben umfassen nicht nur die Lehre zum/zur Reisebüro-AssistentIn, sondern auch Bürokaufmann/-frau oder, wie bei den ÖBB, Mobilitätskaufmann/-frau. „Circa 50% der Lehrlinge in den Reisebüros machen keine Reisebüro-AssistentIn-Lehre“, erklärt Gregor Kadanka, Fachgruppenobmann der Reisebüros der Wirtschaftskammer. Auch die Ausbildung für E-Commerce können mit einer Reisebüro-Lehre kombiniert werden, ebenso Buchhaltung sowie Finanz- und Rechnungswesen oder Informationstechnologie . Positiv ist jedoch, dass die Lehrlingszahlen heuer – auch im Vergleich zu 2019 – deutlich gestiegen sind.

Attraktive Lehre

Als „Opfer von massiver Abwerbung“ bezeichnet Kadanka die Reisebüros und fasst seine Aussage in Zahlen: Nach der Corona-Pandemie gibt es ca. 25% weniger Reisebüro-MitarbeiterInnen, während die Zahl der Betriebe nur um 6% bis 7% gesunken ist. Ein Grund für den starken Abgang sei, dass andere Branchen Reisebüro-Angestellte gerne übernehmen: „Sie sind weltgewandt, Stressresistent, sprechen meistens mehrere Sprachen, sind multitaskfähig usw.“ beschreibt Kadanka das Potenzial. Das sei auch ein Grund, warum eine Lehre im Reisebüro für Junge attraktiv sei. So hat Kadankas Unternehmen Mondial bei der Ausschreibung einer Lehrstelle gleich 90 Bewerbungen erhalten. Bei der Reisewelt, so der Fachgruppen-Obmann weiter, seien es 60 gewesen. Bei einer Umfrage an der Berufsschule unter Lehrlingen im ersten Jahr Anfang 2023 sagten 15 von 17 Teilnehmenden, dass sie die Lehre im Reisebüro weiterempfehlen würden. Acht wollen in der Branche bleiben, vier sind noch unsicher und fünf wollen wechseln. Verbesserungswürdig fanden die Befragten die Bezahlung sowie den Umgang mit Lehrlingen, wobei vor allem mehr Aufmerksamkeit gewünscht wurde.

Matura – vor oder nach der Lehre?

Bis vor einigen Jahren war ein Großteil der Lehrlinge in Reisebüros MaturantInnen. Günter Moser, Direktor der Berufsschule für Handel und Reisen, berichtet von 35 Maturanten unter 90 Lehrlings-Anfängern im Jahr 2018/19. Im vergangenen Jahr gab es nur noch sechs Maturanten, heuer mit neun nur wenig mehr. Ein weiteres Ausbildungsmodell ist die Matura nach der Lehre, die den Vorteil hat, dass im Gegensatz zur Maturaschule den Lernenden keine Kosten entstehen. Für die Berufsmatura neben der Lehre müssen pro Fach ein Jahr lang einmal pro Woche vier Stunden Zeit aufgewendet werden. Bei einer dreijährigen Lehrzeit muss mindestens ein Fach, maximal drei, absolviert werden. Wenn der Lehrabschluss bereits erfolgt ist, bleiben für die restlichen Fächer noch bis zu zwei Jahre Zeit, um die Matura zu erlangen, erklärt Mario Grnja, Berufliches Qualifizierungsmanagement WKO.

Einjährige Zusatzlehre?

Fachgruppen-Obmann Kadanka verweist noch auf eine weitere Hürde: Die Tourismusschulen in Österreich seien zwar sehr gut, Junge gelten als ausgebildet, wenn sie dort ihren fünfjährigen Abschluss machen. Von der Arbeit im Reisebüro hätten sie aber praktisch nichts gelernt. Kadanka schlägt daher vor, in diesem Fall eine einjährige Zusatzlehre für die Arbeit im Reisebüro einzuführen. Dazu gebe es aktuell Gespräche mit dem Ministerium.

Voraussetzungen für Lehrbetriebe

Um Lehrlinge ausbilden zu können, braucht es eine Befähigung. Die kann beispielsweise in einem 40stündigen Kurs am Wifi oder in der Volkshochschule, teilweise auch mit e-learning, erworben werden. Die Kosten dafür belaufen sich aktuell auf 530 EUR. Kleinere Betriebe erhalten eine Förderung von bis zu 300 EUR. Da Reisebüros sehr unterschiedliche Geschäftsmodelle verfolgen – Incoming, Events, Geschäftsreisen, Eigenveranstaltung etc. – kann sich Kadanka vorstellen, dass sich zwei Büros einen Lehrling teilen, um ihm eine möglichst umfassende Ausbildung oder einen der anderen Lehrberufe wie Bürokaufmann zu bieten . Ein zusätzlicher Anreiz zur Ausbildung könnte das bestehende Fördermodell sein: Wer Schulabbrecher, die bereits beim AMS gemeldet sind, als Lehrling annimmt, erhält für die gesamte Ausbildungszeit eine Förderung.

„Wir müssen Betriebe darauf aufmerksam machen, dass Lehrlingsausbildung kein Hexenwerk ist“, fasst Kadanka zusammen. Sein Ziel ist, die Zahl der Lehrbetriebe in Wien von 3,55% auf 5% zu steigern.

Weitere Informationen zur Lehrlingsausbildung erteilen die Lehrlingsstellen der WKÖ. 
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Foto: tip

Autor/in:

Herausgeberin / Chefredakteurin

Elo Resch-Pilcik, Mitgründerin des Profi Reisen Verlags im Jahr 1992, kann sich selbst nach mehr als 30 Jahren Touristik - noch? - nicht auf eine einzelne Lieblingsdestination festlegen.





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