| news | reisebüro» nachhaltigkeit

Wandern - längst nicht nur des Müllers Lust

Artikel der aktuellen tip Print-Ausgabe: Wandern gehört seit einigen Jahren schon fast zum guten Ton, zumindest aber zu einem modernen „Lifestyle“. Neben dem Wohlfühl- und Genussaspekt spricht noch ein weiterer Punkt für Wanderreisen: die Nachhaltigkeit. Diese Entwicklung hat schon lange vor der Corona-Pandemie begonnen, wurde aber in den vergangenen 30 Monaten noch deutlich verstärkt. Wander- wie auch Rad-Reisen erfreuen sich nie dagewesener Beliebtheit.

Keine andere Reiseart - abgesehen vom Radfahren - garantiert eine behutsamere, nachhaltigere Annäherung an Land und Leute als das Wandern. Die Angebote reichen von Gruppen- bis zu Individualreisen ab einer Person, mit oder ohne Guide, von einer bis zu sieben oder acht Stunden täglicher Gehzeit, von Aufstiegen von wenigen Metern bis zu weit über 1.000 Höhenmetern. Kurz geschrieben, für jedes Konditionsniveau gibt es eine passende Tour. Beim Verkauf ist daher eine eingehende Bedarfsanalyse der Kund:Innen unerlässlich: Was soll bei der Reise im Fokus stehen? Gehen, Wald und Wiese oder eher Gebirge, Kultur oder Kulinarik - oder doch von allem etwas?
Fakt ist, man muss nicht täglich die Kondition trainieren, um einfache Wanderungen zu genießen. Als Einstieg. Denn ziemlich sicher wird man beim nächsten Mal schon mehr wollen. Da das Fitness-Niveau bei der Buchung nicht abschätzbar ist, ist gezieltes Nachfragen durch die Counter-Profis unerlässlich.

Schuhe, Gipfel oder Schneesterne

Die Spezial-Veranstalter helfen bei der Einordnung der Schwierigkeitsgrade mit selbsterklärenden Symbolen - meistens in einer Staffelung von eins bis fünf - wie Berge, Gipfel, Bergschuhe, Schneesterne oder einfach Ziffern. Zudem gibt es detaillierte Informationen über Distanz, Gehzeit, Auf- und Abstiege in Höhenmetern oder eben auch Besichtigungsprogramm.
Wichtig zu wissen ist, dass niemand auf der Strecke bleibt. Schmerzen die Füße oder ist die Motivation gerade niedrig, steigt kann man bei Individualtouren oftmals auf den öffentlichen Verkehr umsteigen, bei Gruppenerlebnis-Reisen manchmal auch in den Bus. Steht beides nicht zur Verfügung, gibt es noch die Möglichkeit, mit dem Gepäckfahrzeug mitzufahren, das die Taschen der Reisenden von einer Unterkunft in die nächste liefert. Denn auch dieser Service ist so gut wie in allen Angeboten inkludiert. Was bedeutet, die Wanderer sind immer nur mit kleinem Tagesrucksack unterwegs.

Flexibilität hilft

Dass Wanderreise-Veranstalter gut durch die Pandemie gekommen sind, ist leicht erklärt: Die Nachfrage nach individuellen Angeboten, mit Schwerpunkt Outdoor, in erdgebundenen Zielen ist rasant gestiegen, die Spezialisten haben rasch darauf reagiert. „Wir haben 2020 das Portfolio sehr schnell angepasst. Reisen in den DACH-Ländern und in Italien haben wir von 30 auf 700 ausgebaut“, erzählt Ambros Gasser, Geschäftsführer ASI Reisen.
Auch das Grazer Unternehmen Weltweitwandern - mit einem starken Fokus auf Reisen in Mittel- und Fernzielen, hat, nachdem am Anfang der Pandemie mehr als 2.000 Reisen storniert werden mussten, das Österreich-Portfolio stark erweitert.

Eurofun-Geschäftsführerin Verena Sonnenberg berichtet von einem wahren Boom bei Alpenüberquerungen seit 2020, egal, ob zu Fuß oder per Rad: „Das liegt extrem im Trend. Die Gäste wollen frei sein“, erzählt sie im Gespräch mit tip. Anders ist die Gemengelage bei Kneissl Touristik, das für Studien-Erlebnis-Reisen steht. Geschäftsführerin Elisabeth Kneissl-Neumayer registrierte in der Pandemie keinen Run auf Wanderreisen, mit Ausnahme von Vorarlberg, das auch heuer noch gut nachgefragt und daher zu zwei Terminen im Programm ist. Beim Lambacher Veranstalter liegt der Schwerpunkt auch bei Wanderreisen, die etwa 5% des gesamten Programms ausmachen und schon seit Jahrzehnten angeboten werden, auf Kultur-Erleben, ergänzt durch einige Stunden Gehen. Wer nicht kann oder will, bleibt im Bus. „Die Vielfalt des Programms entscheidet mehr als die Härte der Wanderungen“, ergänzt Kneissl-Neumayer.

Ausflug in die Wanderreise

Als in den ersten Corona-Monaten sich abzeichnete, dass Flugreisen an die klassischen Warmwasser-Ziele zumindest schwierig werden könnten, sahen sich viele Pauschalreisen-Anbieter veranlasst, mehr erdgebundene und somit auch Wanderreisen ins Programm zu nehmen. Da es dafür aber sehr viel Know-how - von Destination, Wegen, Unterkünften, Logistik etc. - braucht, griffen auch sie auf das Fachwissen der Spezialisten zurück. So kauften etwa TUI, Dertour, Ameropa oder SKR bei ASI Reisen ein. Auch Eurofun berichtet von Pauschalisten, die eine Kooperation gesucht hatten. Eine große Konkurrenz ist den Special Interest-Veranstaltern dadurch nicht erwachsen. Ein kluger Schachzug der Spezialisten ist, dass sie schon seit Jahren bis zu einem gewissen Grad zusammenarbeiten, da jeder andere Zielgebietsschwerpunkte hat. Einen Schritt weiter gegangen ist ASI, die eine eigene Plattform für Wanderreisen etabliert haben, bei der auch Reisen handverlesener Partner buchbar sind.

Was wollen die Gäste?

Für die Schaffung neuer Produkte gibt es unterschiedliche Kriterien. Während sich ASI-Chef stark an den Wünschen seiner Gäste orientiert, legt Elisabeth Kneissl-Neumayer für ihre Gruppenreisen andere Maßstäbe an: „Das ist stark abhängig von unseren Reiseleitern. Wer kennt was und wer kann die Leute mitreißen, bei Wanderungen oder auch mal beim Bergsteigen. Du kannst nicht etwas gehen, wo du noch nie gewesen bist. Wenn gute Ideen kommen, setzen wir sie sicher um“, lautet die klare Definition. Bei der Nachfrage sieht die Geschäftsführerin eine starke Fluktuation, die oft nicht erklärbar sei. So seien in manchen Jahren intensive Touren mit sieben bis acht Stunden Gehzeit gefragt, etwa in Kamtschatka, in anderen eher sanfte Reisen an der Ostsee oder der Algarve.

Die Trends

Das aktuelle Jahr läuft gut. Verena Sonnenberg ist sehr zufrieden: „Wir liegen über dem All-Time-High von 2019. Auch jetzt kommen noch Buchungen herein.“ Die Beliebtheit naher Destinationen ist heuer geblieben. Großer Beliebtheit erfreuen sich bei Eurofun Rad- und Wanderreisen mit Charme, die eine höhere Unterkunftskategorie inkludieren, sowie Reisen mit Hund. Auch Ambros Gasser erreicht heuer bei ASI die Gästezahlen von 2019, allerdings fehlten beim Umsatz – noch – die Fernstrecken. Das dürfte sich wohl bald ändern. (red) 


  wandern, wanderreisen, nachhaltigkeit, nachhaltige reisen, nachhaltiger tourismus, asi reisen, kneissl touristik, eurofun


Der Artikel hat Ihnen gefallen? Wir freuen uns, wenn sie diesen teilen!





Foto: tip

Autor/in:

Herausgeberin / Chefredakteurin

Elo Resch-Pilcik, Mitgründerin des Profi Reisen Verlags im Jahr 1992, kann sich selbst nach mehr als 30 Jahren Touristik - noch? - nicht auf eine einzelne Lieblingsdestination festlegen.





Advertising




Tägliche Touristik News für Reisebüro Agents, Counter, Veranstalter, Fluglinien, Kreuzfahrten
Copyright © für alle Artikel: tip / tip-online.at & Profi Reisen Verlagsgesellschaft m.b.H.