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G. Hölbl: Jede Prognose wäre unseriös

Schwierig, aber bezwingbar. So beurteilt Gunther Hölbl die aktuelle Krise. Eng werde es für wirtschaftlich schwach aufgestellte Unternehmen. 

Mit 35 Reisebüros zählt Kuoni zu den größten Reisebüroorganisationen Österreichs. Kerngesellschafter und Kuoni Österreich-Urgestein Dr. Gunther Hölbl, der sich selbst als „keinen Best Case-Denker“ bezeichnet, nennt als größte Sorge einen zweiten Lock-Down. Aktuell seien es vor allem die vielen Ungewissheiten, die nur einen Blindflug zulassen.

Das Unternehmen Reisebüro Kuoni GmbH wurde am 29.4.1970 als Tochter der internationalen Kuoni AG Schweiz gegründet und ist nach einem Management Buy Out 2008 im Privatbesitz von Dr. Gunther Hölbl – CEO bis 2008 - und Mag. Franz Pech - ehemaliger CFO und seit 2008 CEO – und zwei weiteren Gesellschaftern mit Minderheitsanteilen. Finanziell sei Kuoni gut aufgestellt, so Hölbl.

5 Fragen an Gunther Hölbl

tip-online: Wie nehmen Sie die Krise wahr?

Gunther Hölbl: Da muss man durch. Ich glaube, dass es möglicherweise ein Blutbad in der Branche geben wird, was ich sehr bedauere, unter anderem, weil ein solches der Branche enorm schaden würde. Jede Prognose jedoch ist unseriös, weil es so zu viele Unbekannte gibt. Derzeit ist nichts planbar, wir sind alle im Blindflug. Ich orte eine Schockstarre zwischen Hoffnung und Verzweiflung, je nach Gemütstyp der Verantwortlichen. Planbar ist, das eigene finanzielle Schicksal unter Berücksichtigung der eigenen Liquidität und der staatlichen Förderungen so gut wie möglich bis zum Restart, hoffentlich im Herbst, zu verwalten.

tip-online: Was ist Ihr Best Case-, was das Worst Case-Szenario?

Gunther Hölbl: Wir checken alle möglichen Szenarien mit zahlenfundierten Planspielen. Das Best Case-Szenario ist eine langsame Beruhigung und möglicherweise schon im Juli Buchungen für Abreisen 2020. Aber ich bin aus kaufmännischer Vorsicht kein Best Case-Denker. Der Worst Case wäre, wenn im Dezember, Jänner Buchungen für Reisen 2021 beginnen. Viel wird von der Verfügbarkeit einer Medikation bzw. einer Impfung abhängen. Ich sehe durchaus auch die Gefahr einer zweiten Infektionswelle und in Konsequenz einer zweiten Schließung. Im Moment erledigen wir das Tagesgeschäft mit Verwaltung von noch bestehenden noch nicht stornierten Buchungen für Juni bis Dezember, Beruhigung und Beratung dieser Kunden, Abarbeitung von Stornos und Rückzahlungen oder Gutscheinausstellungen an unsere Kunden.

tip-online: Wie beurteilen Sie die Frage der verpflichtenden Gutscheine bei Stornos?

Gunther Hölbl: Wir bieten unseren Kunden Gutscheine plus Bonus mit gutem Erfolg an. Ich verstehe aber auch die Argumentation der Konsumentenschützer. Es braucht da eine Sicherheitslösung mit staatlicher Garantie des Gutscheins oder staatlicher Übernahme der Rückzahlungen, aber da ist keine Lösung in Sicht. Eine nationale Lösung, die einige Länder eingeführt haben, kann nicht EU-Rechtskonform sein, da die Pauschalreiserichtlinie klar regelt, dass der Kunde sein Geld zurückerstattet bekommen muss. Gutscheine wären, wie gesagt, eine gute Lösung gewesen, da die Überlebenschance der Branche davon abhängig ist, dass der Kreislauf von Buchung – Anzahlung - Restzahlung und Provision und wieder Neubuchung nicht durch Neubuchungsstop einerseits und Rückzahlung der Kundenanzahlungen unterbrochen wird. Jetzt in dieser Rückzahlungsproblematik stehen viele Büros mit dem Rücken an der Wand. Katastrophal!

tip-online: Glauben Sie, dass es ein großes Reisebürosterben geben wird?

Gunther Hölbl: Wie immer kommen mit wirtschaftlichen Krisen die Eigenkapital-Stärkeren leichter zurecht. Die Firmen, die diese Eigenkapitalstärke nicht haben, für die wird es schwieriger werden. Das Reisebüro als Institution wird nach der Krise noch mehr Zulauf haben, es ist keineswegs passé. Das Problem ist, dass zu viele Büros keine oder eine zu dünne Eigenkapital-Decke haben. Gute Reisebüros – und meine Betonung liegt auf „gute“, die die Kundenerwartungen übererfüllen - wird’s weiter geben, weil der Kunde das verlangt. Die Kunden sind dankbar für die Arbeit, die wir für sie machen, insbesondere in Krisensituationen.

tip-online: Was wird sich ändern, was wäre wünschenswert?

Gunther Hölbl: Unerlässlich wäre zum Beispiel eine Insolvenzabsicherung für Airlines. Daran arbeiten die Organisationen. Es wird eine Änderung der Reisebüro-Landschaft geben, aber erstmal muss die Landschaft aus Veranstaltern und Reisebüros wieder Luft zum Leben haben. Alles steht auf tönernen Füßen. Die nächsten Wochen werden zeigen, wer gut aufgestellt ist. Die Betriebe werden 2020 eine blutige Bilanz legen, aber mit entsprechendem Eigenkapital und Förderungen ist die Krise auszustehen. Meine größte Sorge ist ein zweiter Lock-Down. Die Unwägbarkeiten sind da. Wenn aber die Menschen die Corona-Sicherheitsvorschriften und -Empfehlungen strikt und nachhaltig befolgen und die Forschung das Virus medizinisch in den Griff bekommt, wird es keine zweite Welle geben. Ich wünsche mir und hoffe, dass die Branche mit einem oder zwei blauen Augen davonkommt.

(red.)


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Foto: tip

Autor/in:

Herausgeberin / Chefredakteurin

Elo Resch-Pilcik, Mitgründerin des Profi Reisen Verlags im Jahr 1992, kann sich selbst nach mehr als 30 Jahren Touristik - noch? - nicht auf eine einzelne Lieblingsdestination festlegen.





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