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Pauschalreiserichtlinie: Schulterschluss zwischen Österreich und Deutschland?

In einem exklusiven Round Table-Gespräch in der tip-Redaktion diskutierten Interessensvertreter beider Länder Möglichkeiten eines gemeinsamen Vorgehens.

Nachdem der Nationalrat in Österreich am 30. März das Gesetz zur Pauschalreiserichtlinie verabschiedet hat, läuft der Countdown. Für Änderungen des ebenso praxisfernen wie konsumentenunfreundlichen Gesetzes bleibt bis zur Umsetzung am 1. Juli 2018 nur noch wenig Zeit. Während der EU-Entwurf in Deutschland im vergangenen Jahr intensivst nachverhandelt wurde, wurde in Österreich vorwiegend hinter geschlossenen Türen diskutiert. In zahlreichen Gesprächen mit Gerd Billen, Staatssekretär im Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz, konnten Branchenvertreter bereits einige Erfolge erzielen.

„In Deutschland wurden einige Punkte wegverhandelt, die in Österreich nie ein Thema waren, zum Beispiel Tagesfahrten oder Einzelleistungen als Pauschalreisen oder der Sicherungsschein“, erklärt Felix König, Fachverbandsobmann der WKÖ.

Getrennte Zahlvorgänge

Für beide Länder – und allen anderen EU-Staaten – brisant ist die getrennte Zahlung bei verbundenen Einzelleistungen. Während dieser Punkt in Deutschland bereits wegverhandelt werden konnte, bestehen SPÖ und Arbeiterkammer auf diesem Punkt, den sie sich unter dem Titel des Verbraucherschutzes nicht nehmen lassen wollen. Anders habe dies das Justizministerium gesehen, das in auf die Seite der Reisebüros gewechselt hat, sich im zuständigen Justizausschuss jedoch nicht durchsetzen konnte. Laut König gibt es allerdings eine Zusage des Justizministeriums für eine schriftliche Stellungnahme, dass bei gemeinsamer Zahlung nicht automatisch eine Pauschalreise entstehe. Mit dieser Stellungnahme sehe er aber eine größere Chance in den eventuell anstehenden Nachverhandlungen.

„Absurdes Gesetz“

Um die Gefahr, als vermittelndes Reisebüro bei verbundenen Reiseleistungen in die Veranstalter-Haftung zu kommen, abzufedern, haben österreichische Interessensvertretungen eine „RSV light“ kreiert, die auch für Hotels und Tourismusverbände, die verbundene Leistungen vermitteln, eine gute Lösung darstellen könnte. Diese „RSV light“ sei, so König, zwar fertig in der Schublade, aber mit dem Gesetzgeber noch nicht endgültig ausverhandelt.

„In Österreich gibt es bereits ein Haftpflichtversicherung für Reisebüros, die in ‚atypische Reiseveranstaltung’ geraten. Für rund 600 EUR pro Jahr wäre diese Bedrohung zu minimieren“, empfiehlt ÖVT Obmann Harald Pree Vorsorge zu leisten.

vir-Vorstand Michael Buller unterstreicht, dass „mit diesem absurden Gesetz der verbundenen Reiseleistung“ die Gefahr, dass Juristen die Türen zu Klagen weit geöffnet werden.

Zurück nach Brüssel!

Marija Linnhoff, 1. Vorsitzende das vusr – Verband unabhängiger selbständiger Reisebüros, arbeitet nach ihrer erfolgreichen Petition darauf hin, dass der Gesetzesentwurf wieder zurück zur EU nach Brüssel zu Neuverhandlung wandern soll.

„Ich fall tot um, wenn wir das nicht schaffen“, gibt sie sich siegessicher.

Hilfreich ist in jedem Fall der Vorwahlkampf in Deutschland, in dem die CDU sich des Themas bereits annimmt.

„In Österreich sind derzeit keine Neuwahlen in Sicht. Keine Partei fühlt sich berufen, das Zurückspielen nach Brüssel am Köcheln zu halten“, schränkt König voreilige Hoffnungen ein.

Linnhoff hat noch ein weiteres Argument im Köcher: Der Verursacher, also Großbritannien, ist aus der EU draußen.

„Die Faktenlage in Brüssel hat sich geändert. Wie kann man ein Gesetz, das von UK initiiert worden ist und uns zum Nachtteil gereicht, dann noch umsetzen? Den ersten Schritt muss unsere Bundesregierung machen. Der Druck ist jetzt da und den bauen wir noch weiter aus", kündigt Linnhoff in Richtung deutsches Parlament an. Solange eine Chance besteht, dass die Aufhebung beantragt werden kann, werde ich dafür kämpfen. Man kann ein Gesetz so nicht umsetzen."

An einem Strang

Dennoch sieht das Fazit des Round Table-Gesprächs einigermaßen vielversprechend aus: Ein gemeinsames Vorgehen scheint in greifbare Nähe gerückt:

„Es würde schon viel helfen, wenn wir in Brüssel sagen könnten, Österreich ist nach wie vor gegen das Gesetz. Wir ziehen an einem Strang“, wirft Julia Thöle, Rechtsanwältin von Beiten Burkhardt, ein.

Auch Michael Buller will nicht ausschließen, dass die Richtlinie neu verhandelt werden muss:

„Nichts ist unmöglich, vor allem wenn ‚Krawalli’ (Anm.: Linnhoffs Spitzname) auftaucht“, so Buller.

Durch die Pauschalreiserichtlinie ergibt sich eine gewaltige Verschiebung bei der Abhängigkeit des Mittelstands. Reisebüros schränken ihr Produkt und damit das Angebot ein, müssen aber im Wettbewerb gegen Online bestehen. Das ist vermeintlicher Verbraucherschutz, hilft dem Konsumenten aber nicht, gibt Buller zu Bedenken, da die Wahlmöglichkeiten der Kunden massiv eingeschränkt werden. „Das Gesetz treibt den Kunden ins Web, wo er aber null Absicherung hat und das volle Risiko selbst trägt“, fügt Josef Peterleithner, ÖRV-Präsident, hinzu. (red)


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Foto: privat

Autor/in:

Redakteur / Managing Editor

Dieter ist seit fast 25 Jahren wichtiger Teil des Profi Reisen Verlag-Teams. Fast jedes geschriebene Wort, das die Redaktion verlässt, geht über seinen Schreibtisch.





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