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Phillies Ramberger: Wir finden Gehör

Die neue Obfrau des ÖVT zeigt sich ebenso hartnäckig wie zuversichtlich - weil in der Touristik alle mit riesiger Leidenschaft arbeiten, erklärt sie gegenüber tip-online. 

Vor knapp einer Woche hat Phillies Ramberger, Geschäftsführerin PUR Touristik, kurzfristig die Position der Obfrau des ÖVT übernommen. Im Gespräch mit tip-online erklärt sie die Stärken der Branche, warum Reisebüros bis jetzt in der Öffentlichkeit wenig wahrgenommen wurden und wie sich das Buchungs- und Reiseverhalten heuer noch entwickeln können. Auch über einen ersten Erfolg in den Gesprächen mit den Ministerien erzählt sie, ebenso wie über die Veränderungen, die die Krise im Tourismus hervorrufen wird. Nach wochenlanger, harter Arbeit ist es ihr jetzt ein großes Anliegen, dass die Reisebranche Vertrauen in die gesetzten Schritte von ÖVT, ÖRV und WKÖ hat. Konkrete Ergebnisse der Gespräche mit den Ministerien sollen bis Mitte Mai bekannt gemacht werden. 

Fragen & Antworten

tip-online: Du bist kurzfristig als ÖVT-Obfrau eingesprungen, um die Leerstelle, die Helly Hirner hinterlassen hat, zu füllen. Was hat dich dazu bewegt, in so einer schwierigen Lage? Dein eigenes Unternehmen wird dir jetzt ja auch viel abverlangen.

Phillies Ramberger: Die Verantwortung gegenüber der Branche. Wir sitzen alle im selben Boot. Der ÖVT hat hervorragende Arbeit geleistet. Für mich war das kein Thema, jetzt, am Gipfel der Krise, einzuspringen. Ich hab eh schon vorher immer mitgearbeitet. Wir haben massiven Arbeitseinsatz seit Beginn der Krise gezeigt und ich würde mich freuen, wenn dass mit ein paar neuen Mitgliedern honoriert würde. So können wir uns gegenseitig unterstützen. Wir arbeiten in einer Branche, in der wir unseren Job mit großer Leidenschaft ausfüllen, das zeichnet uns aus. Absolute Priorität haben jetzt effektive, finanzielle Zuschüsse. Die brauchen alle. Wir setzen all unsere Kraft dahin, dass die Branche erhalten bleibt.

tip-online: Was wurde bisher unternommen?

Phillies Ramberger: Wir waren massiv beschäftigt seit 21. März mit Petitionen, Erklärvideo sowie zahlreichen Briefen an Ministerien. Wir waren ständig in Austausch und jetzt habe ich die Zusage, dass wir Ende dieser Woche ein vorläufiges Statement erhalten und Mitte Mai konkrete Maßnahmen vorliegen. Ein Fixkostenzuschuss wie für verderbliche Waren ist ein Ansatz. Ich danke allen, die Briefe geschrieben haben und auch den Medien, die sie veröffentlicht haben. Die Krise trifft 8,5 Mio. Österreicher. Die Regierung hat sehr viele Agenden gehabt, das war ein Entwicklungsprozess. Wir finden Gehör. Das freut mich am allermeisten. Wichtig ist, dass wir die nicht zurückzuzahlenden Zuschüsse jetzt brauchen, nicht erst Ende des Jahres oder im ersten Quartal 2021. Da die Sperren jetzt schon bis Juni ausgedehnt wurden, braucht die Branche rd. 350 Mio. EUR in diesem Jahr.

tip-online: Wird sich die Wahrnehmung des Reisebüros in der Öffentlichkeit durch die Krise ändern?

Phillies Ramberger: Ja, der Kunde wir nach der Krise noch lieber ins Reisebüro gehen. Schon nach der Insolvenz von Thomas Cook hat der Kunde erkannt, wieviel Leistung und Unterstützung ein Reisebüro bringt. Allerdings muss der stationäre Vertrieb noch wirtschaftlicher werden.

tip-online: In Deutschland klagt die QTA über „respektlose Behandlung“ der Reisebranche. Nimmst du das auch so wahr?

Phillies Ramberger: Ich bin seit 27 Jahren in der Touristik. Wir sind eine autarke Branche und haben alle Probleme immer aus eigener Kraft gelöst - und anstandslos zum Wohle der Kunden gemeistert. Da ist es nicht verwunderlich, dass wir in der Öffentlichkeit und in der Politik nicht wahrgenommen werden. Bisher haben wir uns in der Branche immer gegenseitig geholfen. Jetzt, mit Corona, ist das eine andere Situation. Wir haben keinen nationalen und internationalen Lobbyismus für die Branche. Das ist kein Vorwurf an die Kammer oder an die Verbände, dabei geht es um Lobbyismus besonders auf EU-Ebene.

tip-online: Gestern war das Wort „Reisebüro“ das erste Mal seit Ausbruch der Krise im Morgenjournal in einer Meldung zu hören. Wird die Branche nicht doch vergessen?

Phillies Ramberger: Jetzt, in der siebten Woche, werden wir wahrgenommen, in der Politik und auch beim Konsumenten, der das Reisebüro schätzt und sich Gedanken macht. Seit den großen Pleiten von Itas und Karthago in den 1990er-Jahren gab es keine so konzentrierten Probleme mehr. Jetzt ist es anders und wir haben aufgeschrien. Und Gewaltiges erreicht. Jetzt sind wir am besten Weg. Kaum ein Medium greift das Thema „Reisebüro“ derzeit nicht auf, das bringt viele positive Reaktionen.

tip-online: Was glaubst du, wie sich das Jahr weiter entwickeln wird?

Phillies Ramberger: Die Abreisen heuer werden sehr marginal sein. Ohne zweite Infektionswelle könnte die Anzahl der Buchungen ab Oktober wieder steigen. Neubuchungen sind sehr verhalten. Wegen der Reisebeschränkungen traut sich keiner zu buchen. Als „best case“ gehe ich von einem Ausfall von „nur“ 75% in diesem Jahr für die gesamte Reisebranche aus. Wenn man von einem durchschnittlichen Umsatz von 5 Mio. pro Reisebüro ausgeht, dann entspricht das in etwa einem Wert von fast 4 Mio. EUR Ausfall.

tip-online: Was wird sich in der Touristik nach der Krise ändern?

Phillies Ramberger: Der Tourismus wird sich in acht bis zwölf Monaten adaptieren, weil er mit verschiedenen Tatsachen konfrontiert sein wird. Z.B., welche Fluglinien, welche Hotels werden überleben? Vielen Menschen werden in den nächsten Jahren nicht so verreisen können wie bisher, da die Kapazitäten geringer und die Kosten höher werden. Das wird sich auch auf den zuletzt viel diskutierten Overtourism positiv auswirken. Die Qualitätsebene wird statt der Quantitätsebene in den Vordergrund rücken. Das ist durchaus auch eine Chance.

tip-online: Wie wird die Reisebranche die Krise überstehen?

Phillies Ramberger: Mit blauen Flecken und mehreren Knochenbrüchen. Das wird ein sehr langwieriger, schwieriger Prozess. Aber der betrifft jeden, alle, auf der ganzen Welt. Die Geschichte zeigt, dass es nach einer Katastrophe immer wieder einen Aufschwung gibt. Das wird uns auch diesmal gelingen. Es ist toll, welche Kraft bei den KMU zu sehen ist. Ich habe größten Respekt, wenn Akteure mit soviel Enthusiasmus arbeiten, dann kann es nur gut werden und Erfolg zeugen. Danken möchte ich dem ÖRV und der Wirtschaftskammer für die super Zusammenarbeit. Und auch den Einzelbetrieben. Wir sitzen alle in einem Boot und rudern erstmals alle in eine Richtung. So einen Zusammenhalt habe ich in 27 Jahren noch nicht erlebt. Jeder ist mit Herz dabei, auch wenn die Margen eigentlich eine persönliche Beleidigung sind. Ich würde mir wünschen, dass die Reisebüros jetzt Vertrauen in die Arbeit der Interessensvertretungen haben. Wir sind auf einem guten Weg. Daher es gilt: Aufstehen, Krone richten, weitergehen.


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Foto: tip

Autor/in:

Herausgeberin / Chefredakteurin

Elo Resch-Pilcik, Mitgründerin des Profi Reisen Verlags im Jahr 1992, kann sich selbst nach mehr als 30 Jahren Touristik - noch? - nicht auf eine einzelne Lieblingsdestination festlegen.





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