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Blaguss / Reisewelt: keine Traumtänzer

Mehr Kompetenz, mehr Schlagkraft – mittelfristig auch mit Öffnung für weitere Reisebüros. Das sind die Ziele der engen Zusammenarbeit von Reisewelt und Blaguss Touristik. 
 

Schon länger angedacht, hat die Pandemie die Umsetzung beschleunigt: Die Raiffeisenlandesbank OÖ AG als Eigentümerin der Reisewelt GmbH und das Familienunternehmen Blaguss Touristik GmbH haben vor knapp einem Monat eine Absichtserklärung zur engen Zusammenarbeit unterzeichnet. Erstmals sprechen Felix König, Geschäftsführer Reisewelt, und Renate Remler, Prokuristin Blaguss Touristik, darüber, dass die Kooperation künftig auch als Plattform für weitere Reisebüros fungieren soll, die Synergien nützen wollen.

Wie es zu dem Abkommen kam. Welche Idee dahinter steht. Wohin die Entwicklung gehen soll. Wie der gemeinsame Auftritt umgesetzt werden soll. Über diese und andere Themen haben Remler und König im Interview mit tip-online gesprochen.

"Wir haben nicht nur geredet, sondern auch getan."

tip-online: Blaguss Touristik und die Reisewelt haben eine Absichtserklärung zur engen Zusammenarbeit unterzeichnet. Was steht dahinter?
Felix König: Blaguss und die Reisewelt sind sich seit Jahrzehnten verbunden, erst in der QUIT und dann in der Nachfolgeorganisation Travelstar. Wir haben schon einige Deals gemeinsam abgewickelt. Zum Beispiel hat die Reisewelt von Blaguss zwei Vorderegger-Büros im Land Salzburg erworben. Wir reden schon seit Jahren mit Mag. Blaguss über eine engere Kooperation. Wir haben nicht nur geredet, sondern auch getan.
Renate Remler: Die Idee gab es schon länger, aber durch die Pandemie wurden die Gespräche beschleunigt.

tip-online: Was ist denn die Idee dabei?
Felix König: Die Idee war, die Kräfte zu bündeln. Für die Reisewelt schließen wir damit die Ostflanke und erhalten eine Bus-DNA, das hat uns bisher gefehlt. Ein wesentlicher Punkt, den wir bisher noch nicht kommuniziert haben, ist, dass wir die Kooperation als Plattform sehen. Weitere Reisebüros, die Synergien nutzen und sich auf die Stärken fokussieren wollen, sind gerne willkommen.
Renate Remler: Bei der Kundenbetreuung wollen wir im Bereich Omni-Channel gemeinsam durchstarten.

tip-online: Wird das nicht eine Konkurrenz zu Travelstar?
Felix König: Die Reisewelt inklusive Blaguss Touristik halten 40% an der Travelstar. Wir lieben die Travelstar und haben die Gesellschafter vorab informiert. Wir stehen fest verwurzelt wie eine Eiche hinter der Travelstar und wollen daran auch nichts ändern.
Renate Remler: Während der Pandemie gab es kaum Schließungen von Travelstar-Reisebüros. Die Zahl ist zuletzt von Jahr zu Jahr gewachsen.

tip-online: Welche Büros gehören zu Travelstar?
Felix König: Es gibt fünf Gesellschafter mit insgesamt 85 Büros: Columbus, Mondial, RT Burghausen, Blaguss und die Reisewelt. Die stillen Gesellschafter Gärtner, Loacker, Sramek, ÖAMTC und Raiffeisen Reisen / Geo bringen 40 Filialen ein. Darüber hinaus gibt es noch Einzelbüros und die TUI Travelstar-Büros. Insgesamt umfasst die Gruppierung derzeit 294 Standorte.

"Wollen keine Kundenvertreibungsaktion starten"

tip-online: Wie viele Standorte wird es bei der Kooperation Reisewelt – Blaguss geben?
Felix König: 24 plus 9.

tip-online: Wann erfolgt das Rebranding von „Blaguss Touristik“ zu „Reisewelt“?
Renate Remler: Für den Kunden ist zur Orientierung das entsprechende Branding wichtig. Daher werden wir den neuen, gemeinsamen Auftritt ganz vorsichtig angehen. Wir wollen alles, nur keine Kundenvertreibungsaktion starten. Für die nächsten Jahre ist ein gemeinsamer Auftritt der beiden Partner in Form eines Co-Brandings geplant, um eben diese Sicherheit und Beständigkeit weiter zu vermitteln.
Felix König: Wir werden uns eines professionellen Begleiters bedienen für die Markentransformation.

tip-online: Wie schaut die wirtschaftliche Verflechtung aus?
Felix König: Für die Einbringung seines Reisebüro-Geschäfts erhält Blaguss 25,1% der Reisewelt-Anteile, die die Eigentümerin Raiffeisen Landesbank OÖ abgibt. Sie behält 74,9% der Anteile. Eingebracht in die Reisewelt GmbH wird die Blaguss Touristik GmbH, zu der neun Reisebüros, eine Flugabteilung und die Gruppenproduktion zählen. Die Verflechtung ist noch vorbehaltlich der Genehmigung durch die Wettbewerbsbehörde.
Renate Remler: Ich glaube, dass die inhaltliche Verflechtung unserer Geschäfte im Reisebüro-Bereich die Chance bietet, hier gemeinsam zu reüssieren. Jeder bringt seine Stärken ein, gemeinsam werden wir an neuen Projekten arbeiten.

"Man spürt schon ein Kribbeln in den Fingern"

tip-online: Was versteht ihr unter „gemeinsamem Profil“?
Felix König: Einen umfassenden, gemeinsamen Außenauftritt, gemeinsame IT, gemeinsame Steuerung, gemeinsames Investment beim Thema Omni-Channel und einen gemeinsamen Standard beim Thema Aus- und Weiterbildung, bei dem wir von den Besten lernen. Wir wollen das Profil schärfen, auch hin zum Kunden. Am Anfang der Pandemie wurden sehr viele Kunden, die nicht in Reisebüros gebucht hatten, hängengelassen. Bei der Kundengeldrückzahlung sind wir in Vorlage getreten, obwohl uns die Airlines und auch manche Veranstalter im Stich gelassen haben. Wir wissen, dass Kunden wieder im Reisebüro buchen wollen. Noch sind die Zahlen überschaubar, aber man spürt schon ein Kribbeln in den Fingern.
Renate Remler: Die Reisebüros waren für die Kunden wie ein Fels in der Brandung und wir haben permanent versucht in dieser herausfordernden Zeit so intensiv wie möglich mit den Kunden in Kontakt zu bleiben. Distanz bedeutet ja nicht unpersönlich. Ich glaube, dass uns diese vertrauensvolle Bindung nun immens helfen kann, aus dieser schwierigen Zeit zu kommen.

tip-online: Gibt es Aktionen, um die Kunden zum Buchen zu animieren?
Felix König: Ab Ende Mai werden wir im Bundesländer-Fernsehen in Oberösterreich zur Primetime präsent sein mit einem Service-Tipp mit dem Schwerpunkt „wir sind da und helfen den Kunden in guten wie in schlechten Zeiten.“
Renate Remler: Wir wollen gemeinsam stark für Kunden da sein und ihnen das Gefühl geben, dass sie bei uns gut aufgehoben sind. Man merkt, dass die Kunden wieder positiver sind. Bei Blaguss hatten wir vor vier Wochen das erste Mal einen sehr erfolgreichen, digitalen Kundenabend mit mehr als hundert Teilnehmern.
Felix König: Gemeinsames Profil bedeutet für uns, dass wir solche erfolgreichen Einzelaktionen künftig eben gemeinsam und breiter ausrollen werden.

 

tip-online: Bus-Gesellschaftsreisen wurden lange Zeit mit Senioren-Ausflügen verbunden. Hat sich das Image gewandelt?
Felix König: Wir glauben, dass wir uns künftig in der Reisewelt diesem Thema nicht verschließen können und wollen daher diese DNA stärken.
Renate Remler: Durch die Veränderungen in der Gesellschaft und den Change im Reiseverhalten – Stichwort Fernbusreisen, junge Städter machen keinen Führerschein mehr, etc. - gibt es hier auch einen grundsätzlichen Wandel, den man schon vor der Pandemie gespürt hat. Bei jüngeren Gästen sind besonders Kleingruppen gefragt. In den modernen Blaguss-Bussen reist man teilweise fast wie in der Business Class. Das eignet sich auch für längere Strecken, bei denen wir Nächtigungen und Besichtigungen unterwegs einplanen. Dafür verzeichnen wir eine steigende Nachfrage. Wir haben vor, hier für den Gruppenreisenbereich neue Akzente zu setzen und setzen hier auch auf die Buskompetenz von Blaguss. Der Busbereich von Blaguss ist ja von der neuen Firmenkonstellation nicht betroffen.

"Kein Risikoprodukt für nächstes Jahr"

tip-online: Blaguss Touristik hat lange Zeit mit eigenen Chartern gepunktet. Wird das künftig wieder vermehrt in den Fokus rücken?
Renate Remler: Nein, das kommt nicht mehr. Wir werden aber das Know-how bei entsprechender Nachfrage auf beiden Seiten bündeln. Aber es wird kein Revival des ursprünglichen Blaguss-Veranstalters geben.

tip-online: Gibt es schon neue Produkte, über die man sprechen kann?
Felix König: Von Seiten der Reisewelt ist es noch zu früh. Wir setzen jetzt einen Schritt nach dem anderen. Ab Linz wird es eigene Charterflüge geben, weil dort viel weniger Linienflugangebot als ab Wien angeboten wird. Ich hab den Auftrag gegeben, für nächstes Jahr kein Risikoprodukt einzukaufen. Das kommt erst, wenn die Branche wieder gesettelt ist. Vielleicht schon im Herbst 2022.

tip-online: Wird es auch in der Ausstattung der Büros Gemeinsamkeiten geben oder bleibt es beim klassischen Reisebüro?
Felix König: Wir schließen nicht aus, dass wir in größeren Städten Flagship Stores machen. Aber in Bezirkshauptstädten haben wir nicht nur urbanes Publikum. Wir wollen die Kunden nicht über einen Kamm scheren. Der Kunde in der Stadt tickt anders als der am Land. Zudem ist das auch eine Kostenfrage. Bei der Neuausstattung wollen wir gute Qualität für Kunden und Mitarbeiter anbieten, aber wir werden keine Millionen in die Hand nehmen. Stylishe Büros werden wir nur in Ballungsräumen andenken.

tip-online: Wird das Produktportfolio auch für mitbuchende Reisebüros geöffnet?
Felix König: Ja, im zweiten Schritt, wenn wir mit einem Risikoprodukt auf den Markt gehen, laden wir gerne Mitbucher dazu ein.

tip-online: Werden Reisebüros aus der Krise gestärkt oder geschwächt hervorgehen?
Renate Remler: Ich glaube, dass sie gestärkt werden. In der Pandemie, besonders in den ersten Wochen der Krise, waren wir immer rund um die Uhr erreichbar. Die Kunden haben gesehen, dass Sicherheit sehr wichtig ist. Die gibt es nur mit Menschen, nicht im Internet.

tip-online: Womit kann ein Reisebüro in Zukunft punkten?
Renate Remler: Mit persönlichem Service, moderner Digitalisierung und Omni-Channel-Vertrieb. Besonders wichtig ist, dass Menschen dahinterstehen. Das werden wir massiv in den Vordergrund spielen.

"Ziel ist ein Umsatz von 110 Mio. EUR"

tip-online: In welchen Zahlen lassen sich die Erwartungen an die Kooperation ausdrücken?
Felix König: In einem normalen Jahr rechnen wir mit einem Umsatz von 110 Mio. EUR. Das ist das Ziel. Das heißt aber nicht, dass wir nicht auch mehr erwarten.
Renate Remler: Ja, das ist durchaus realistisch. Wir gehen von etwas mehr als eins plus eins aus.
Felix König: Wir sind keine Traumtänzer. Das hat uns immer ausgezeichnet.

tip-online: Was erwartet ihr vom heurigen Jahr touristisch gesehen?
Renate Remler: Wir hoffen, dass es auf jeden Fall besser wird. Wenn es keinen weiteren Lock-down gibt und das Geschäft langsam und kontinuierlich wieder anlaufen wird.
Felix König: Die Wirtschaft und eben auch die Reisebüros profitieren davon, dass der österreichische Staat Milliarden in die Hand nimmt, um Unternehmen zu unterstützen. Das hat gewaltig geholfen. Wir hatten höhere Erwartungen für 2021, aber durch die staatliche Unterstützung können wir das ausgleichen. Ich bin optimistisch und zuversichtlich. Das Geschäft zieht von Tag zu Tag an.

tip-online: Könnt ihr der Krise auch etwas Positives abgewinnen?
Felix König: Ja. Das papierlose Büro. Das haben wir noch nicht ganz umgesetzt. Aber die papierlosen Bereiche haben mit Home Office deutlich besser performt bei der Erreichbarkeit und im Lock-down. Digitalisierung, Video-Calls und Home Office hätten wir ohne Pandemie nicht so schnell umgesetzt. Privat betrachtet auch. Ich habe meine Kinder fast täglich ins Bett gebracht und sie unter der Woche so viel gesehen wie noch nie. Trotzdem wollen wir so eine Pandemie nie wieder erleben.
Renate Remler: Ich kann mich Felix anschließen. Vor gut einem Jahr hätte ich mir nicht vorstellen können, dass man sich mit Digitalisierung und Flexibilität so schnell anfreunden kann. Das ist aber auch das einzig Positive an der Pandemie.

Das Gespräch führte Elo Resch-Pilcik


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Foto: tip

Autor/in:

Herausgeberin / Chefredakteurin

Elo Resch-Pilcik, Mitgründerin des Profi Reisen Verlags im Jahr 1992, kann sich selbst nach mehr als 30 Jahren Touristik - noch? - nicht auf eine einzelne Lieblingsdestination festlegen.





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