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Gutscheine: Kritik an EU wächst

Fast ein Monat ist vergangen, seit Österreich und Deutschland die EU wegen einer Entscheidung bezüglich Gutschein-Lösung kontaktiert hat. Eine Antwort steht weiter aus. Das ist einer der Kritikpunkte, der in einer virtuellen Diskussion im Rahmen der "Zukunftstage" in Richtung deutsche und EU-Politik formuliert wurde.

Die zögerliche Vorgehensweise der EU in Sachen Gutscheinen statt Rückerstattung sorgt zusehends für Unmut in der Branche. Es gehe vor allem darum, endlich Klarheit zu haben, wie immer sie aussehe. Weiteres Zuwarten würde den wirtschaftlichen Druck auf die Reisebüros nur noch mehr erhöhen.

So lassen sich die Aussagen mehrerer Teilnehmer einer Diskussion der Plattform Tourismuszukunft zum Thema „Jetzt oder nie: Rettet die Tourismusbranche“ zusammenfassen. Die Gesprächsrunde wurde als Hilferuf an die Politiker unter dem Motto „Die Corona-Krise vernichtet die Tourismusbranche“ verstanden. Von der deutschen Politik erwarten die Branchenvertreter rascheres Handeln und mehr Verständnis für die besonders hart betroffene Touristik. Aber auch die EU müsse endlich Entscheidungen treffen.

Zentrale Forderung: schnelle Entscheidung

Frankreich, Belgien und Italien etwa haben bei den Gutscheinen nicht auf eine Entscheidung aus Brüssel gewartet und jeweils eine nationale Lösung umgesetzt. Österreich und Deutschland haben sich, ganz gesetzeskonform, in einem Brief an die EU gewandt und um Klarheit gebeten.

Zur Erinnerung: Laut Pauschalreiserichtlinie muss bei Stornos den Kunden das Geld zurückerstattet werden. Da einerseits Airlines und auch zahlreiche Hotels, die alle ebenfalls unter totalen Einnahmeausfällen leiden, nur Gutscheine anbieten und die angezahlten Leistungen nicht an die Reisebüros zurückerstatten können, stehen die Vermittler und Veranstalter mit dem Rücken zur Wand. Um die Liquidität der Büros zu sichern, sollten Gutscheine statt Rückzahlungen erlaubt sein. Und auch entsprechend gegen Insolvenz abgesichert sein. Auch nach Wochen konnte sich die EU bislang zu keiner Vorgehensweise durchringen.

„Keine Entscheidung ist das das Fatalste. Da werden Briefe hin und her geschrieben. Es gibt doch auch Email! Andere Länder haben ihren eigenen Weg gewählt, weil die Antwort zu lange gedauert hat. Entscheidet bitte schnell, das ist die zentrale Forderung an die EU“, kritisiert Detlef Schroer, Vertriebsleiter schauinsland-reisen.

System des Geldtauschens funktioniert nicht

Aber nicht nur von der EU ist schnelles Vorgehen gefragt. Auch die Unterstützung in Deutschland – in Österreich verhält es sich nicht anders – muss schnell gewährt werden. Die Unterstützung dürfe nicht in Form eines Darlehens sein, sonst erfolge die Insolvenz einfach ein paar Monate später, fordert Thomas Bösl, Sprecher der Reisebüro-Allianz QTA. Für Bösl drängt sich eine weitere Forderung auf, die das Verhältnis zwischen Veranstaltern und Vertrieb neu definieren soll. Dem schließt sich Sascha Nitsche, Solamento, an:

„Die Fehler der Vergangenheit fliegen uns jetzt um die Ohren. Wir müssen gemeinsam überlegen, wie wir die ‚pain points‘ lösen können. Das System des Geldtauschens, auf dem die Touristik aktuell basiert, funktioniert nicht auf Dauer", so Nitsche weiter.

Unterstützung der Zielgebiete

Auf die Bedeutung des Tourismus in den Zielgebieten verweist Oliver Zahn, Portimar, am Beispiel Portugals. Dort war der Tourismus die Stütze der Wirtschaft in den vergangenen Jahren, allerdings gäbe es keine staatliche Unterstützung wie in Deutschland oder Österreich. Zudem sei die Branche vorwiegend von KMU – Restaurants, Reiseleitern usw. – getragen.

M. Buller favorisiert Fondslösung

vir-Präsident Michael Buller erwähnt in seinem Statement bei den Zukunftstagen von Tourismuszukunft ein Gutachten von einem ausgewiesenen Experten, das eine Gutscheinlösung auch ohne EU-Zustimmung für möglich halte. Sollte das rechtskonform sein, sei dann schade um die drei Wochen Zeit, die seit der Gutschein-Anfrage Deutschlands bei der EU verstrichen ist. Gutscheine würden den Vorteil bringen, dass die Provision in den Reisebüros bleiben würde. Auch die Liquidität der Reisebüros und Veranstalter würde damit erhöht werden. Nachteilig sieht Buller die Problematik, was mit der Provision für Neubuchung mit einer Gutscheinlösung passiert. „Man macht die Arbeit ein zweites Mal, bekommt vielleicht dafür keine Provision – dann ist das Finanzierungsproblem nur verschoben“, so Buller. Außerdem seien Einzelleistungen nicht abgesichert. Als eine weitere Möglichkeit sehe Buller eine Fondslösung, eine Art Bad Bank, die aber – so wie er zugibt - noch nicht so richtig zum Laufen gekommen ist. In diesen Fonds sollen alle Gelder aus Rückzahlungsforderungen von Fluglinien, Hotels und Veranstaltern einbezahlt werden, und aus dem dann ausbezahlt wird. Das würde bedeuten, dass alle Unternehmen die Liquidität behalten würden.

„Die Idee ist, dass der Fonds über 10 Jahre zurückbezahlt wird, was den Vorteil birgt, dass über einen längeren Zeitraum die Rückzahlung organisiert werden kann – mit kleinen Zinsen. Man bräuchte aber einen Betrag von 10 Mrd. EUR in Deutschland. Diese Finanzmittel müsste der Staat zur Verfügung stellen“, erklärt Buller weiter.

Weiter Vorteile – neben der langen Rückzahlungsmöglichkeit – wären die Liquidität und die Provisionen, die in den Unternehmen bleiben sowie der Rückfluss des Geldes an den Kunden, was Vertrauen schaffe. Darüber hinaus wäre keine Gesetzesänderung notwendig – auch auf EU-Ebene nicht. Nachteilig wäre, dass eine Rückzahlung mit Zinsen erforderlich wäre und dass das Finanzierungsproblem gestreckt werde. (red.)


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Foto: tip

Autor/in:

Herausgeberin / Chefredakteurin

Elo Resch-Pilcik, Mitgründerin des Profi Reisen Verlags im Jahr 1992, kann sich selbst nach mehr als 30 Jahren Touristik - noch? - nicht auf eine einzelne Lieblingsdestination festlegen.





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