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Eva Buzzi, ÖRV-Präsidentin: Wir möchten den Westen stärker einbeziehen

Seit der virtuellen Frühjahrstagung steht ein weibliches Power-Duo an der Spitze des ÖRV. tip-online hat Neo-Präsidentin Eva Buzzi zum virtuellen Interview getroffen.

Was hat Eva Buzzi, Geschäftsführerin ÖBB Rail Tours, dazu bewogen, die Stelle der ÖRV-Präsidentin zu übernehmen? Welche Überlegungen gingen der Zusage voran? Was will sie – gemeinsam mit ihrer Vize-Präsidentin Helga Freund, Vorstandsmitglied Verkehrsbüro Gruppe, und dem neuen Vorstandsteam - beibehalten, was will sie ändern? Führen Frauen anders als Männer? Welche Themenschwerpunkte will sie setzen?
Antworten auf diese und andere Fragen lesen Sie im Folgenden.

"Der Branche eine Stimme verleihen"

tip-online: Was waren deine Beweggründe, dich der Wahl zur Nachfolge Joschi Peterleithners zu stellen?
Eva Buzzi: Ich bin dem ÖRV schon lange Jahre verbunden. Ich habe gesehen, wie sich Joschi im Vorjahr hineingeköpfelt hat und was er alles geleistet hat. Als er an mich herangetreten ist, hab ich mich sehr geehrt gefühlt. Dann musste ich aber schauen, wie es mit meinen Ressourcen aussieht. In meinem Job ist mir ja auch nicht gerade fad. Zudem komme ich von der kleinen Rail Tours, Joschi von der großen TUI. Vielleicht ist das ja auch typisch für Frauen, solche Überlegungen anzustellen. Bevor ich zugesagt habe, hab ich mich der Unterstützung von Helga Freund (Anm.: Vorstandsmitglied Verkehrsbüro Group) versichert. Da sie dazu bereit war, habe ich mich der Aufgabe gewachsen gefühlt und angenommen.

tip-online: Eine neue Führung bringt meistens Veränderungen. Aber nicht nur. Was möchtest du im ÖRV beibehalten?
Eva Buzzi: Mir ist wichtig, dass man wie bisher der Branche eine Stimme verleiht, auf politischer Ebene, auf EU-Ebene und den Konsumenten gegenüber. Wir müssen aufzeigen, welche Leistungen Reisebüros und Veranstalter gegenüber individuellem Buchen erbringen und unterstreichen, dass in der Pandemie Reisebüro-Kunden besser dran waren. Auf EU-Ebene müssen wir die Forderung nach einer Insolvenzabsicherung für Airlines vorantreiben. Auch die Zusammenarbeit des ÖRV mit dem Fachverband und dem ÖVT möchte ich so fortführen. Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass jeder seine Ansprechpartner hat und wie wichtig es ist, dass alle an einem Strang ziehen.

tip-online: Heißt das, dass eine Verschmelzung von ÖRV und ÖVT vom Tisch ist?
Eva Buzzi: Ja. Im Moment ist das kein Thema. Die wirkungsvolle Kooperation steht im Vordergrund.

"Frauen in den Fokus rücken"

tip-online: Was möchtest du mit deiner Arbeit im Verband ändern?
Eva Buzzi: Wir planen für den Juni einen gemeinsamen Workshop mit dem gesamten Vorstand, bei dem wir schon mal Pflöcke einschlagen werden und abstecken, was wir fortsetzen und was wir ändern wollen. Wir haben ja viele neue Gesichter im Vorstand. Zusätzlich möchte ich Damen mehr in den Fokus rücken. Man muss bedenken, dass ein großer Prozentsatz in den Reisebüros weiblich ist. Diese Tatsache wird weder im Verband, noch in den touristischen Chefetagen gespiegelt.

tip-online: Glaubst du, dass sich weibliche Führung von männlicher unterscheidet?
Eva Buzzi: Führung ist Charaktersache, nicht geschlechtsspezifisch. Die Methoden der Führung und das Handwerkszeug haben sich geändert. Heute steht die weibliche Seite mehr im Vordergrund. Es gibt spezifische Eigenschaften, die bei männlicher bzw. weiblicher Führung mehr im Vordergrund stehen.

tip-online: Möchtest du als Frau Präsident als Präsidentin bezeichnet werden?
Eva Buzzi: Als PräsidentIN. Ich lege wert auf das -in. Natürlich geht es dabei auch um die Sichtbarkeit. Sprache spiegelt die Wertehaltung wider.

"2022 wird das Schicksalsjahr"

tip-online: Du hast dir fünf Punkte auf deine Agenda geschrieben....
Eva Buzzi: Ja. Erstens: die Positionierung der Branche in Richtung Lobbying und Kunden.
Zweitens: die Monetarisierung der Leistung. Der Druck wird noch größer werden. Wir haben da schon gute Vorbilder, wie das Beispiel Kuoni mit dem Beratungshonorar zeigt.
Drittens: Die Margensteuer wird ab nächstem Jahr noch weiteren Druck erzeugen. Mehr im Börserl kann nur über die Leistung am Kunden abgegolten werden, die auch bezahlt wird. Und die Airline-Insolvenzabsicherung. Daran müssen wir arbeiten, nach dem Motto „steter Tropfen höhlt den Stein“. Die Verkehrslobby ist sehr stark in der EU. Chancen, Gehör zu finden, haben wir, wenn es in diesem Bereich eine größere Insolvenz gibt mit vielen geschädigten Kunden. Das ist jedenfalls eine Diskussion, die wir am Laufen halten sollten.
Viertens: Die Kooperation zwischen den Verbänden. Das haben wir ja schon besprochen, die möchten wir weiter vorantreiben. Es ist großartig, was Joschi Peterleithner gemeinsam mit Phillies Ramberger vom ÖVT und Gregor Kadanka vom Fachverband geleistet hat.
Und fünftens: die wirtschaftliche Lage der Branche. Die Förderungen sind größtenteils angekommen. Gerade die großen Unternehmen wurden durch die Deckelung allerdings benachteiligt, hier besteht noch Handlungsbedarf. Man muss bedenken, dass die Regelungen in großer Geschwindigkeit ausgearbeitet wurden und nicht für alle optimal sind.

tip-online: Wie wird es wirtschaftlich weitergehen für die Branche?
Eva Buzzi: Man muss sehen, was nach dem Auslaufen der Förderungen passiert. Das Schicksalsjahr wird nicht 2021 sein, sondern 2022, wenn zum Beispiel Stundungen fällig werden. Und dann wird sich auch zeigen, ob die Kunden wieder zurückkommen.

tip-online: Was hörst du über die aktuelle Buchungslage?
Eva Buzzi: Man hört überall, dass es anläuft, aber es ist noch zu früh, um eine valide Einschätzung zu treffen. Es ist ja auch noch offen, wie sich die Fernreisen Richtung Winter entwickeln werden. Da wird es sehr stark auf die Einreiseregeln der einzelnen Länder ankommen und natürlich auch auf die Entwicklung der pandemischen Lage weltweit. Ab Beginn des touristischen Jahrs 2021/22, also ab November, wissen wir mehr.

tip-online: Welchen Themenschwerpunkt wird es bei der Herbsttagung in Wiener Neustadt geben?
Eva Buzzi: Jedenfalls Corona und die Auswirkungen sowie Aus- und Weiterbildung. Walter Säckl hat das wie schon bisher in seine bewährten Hände genommen.

tip-online: Bleiben Walter Säckl als Generalsekretär und Assistentin Susanne Gahn in ihren Funktionen dem ÖRV erhalten?
Eva Buzzi: Ja, davon gehe ich aus und ich freu mich sehr darüber.

tip-online: Wie wird der ÖRV mit dem Thema Digitalisierung umgehen?
Eva Buzzi: Das ist ein Schlagwort. Wir sollten uns fokussieren und fragen, was die Mitglieder von uns als Verband erwarten. Die Antwort darauf ist sicher nicht „Digitalisierung der Branche“. Ich glaub nicht, dass der ÖRV diesen Mehrwert schaffen kann. Wir haben mit Max Schlögl (Anm.: Gruber-reisen) allerdings jemanden aus der jungen Riege im Vorstand, der sehr digitalaffin ist, da freue ich mich sehr auf Inputs. Ich bin jedenfalls sehr zuversichtlich, dass wir mit allen Kollegen und Kolleginnen auf der Liste was weiterbringen werden. Ein fix und fertiges Programm ist zu dem aktuellen Zeitpunkt natürlich noch nicht möglich.

"Wir möchten den Westen stärker einbeziehen"

tip-online: Und was wollt ihr ändern?
Eva Buzzi: Wir möchten jedenfalls den Westen stärker einbeziehen und mehr Veranstalter und Reisebüros aus dem Westen einladen, in den Ausschüssen mitzuarbeiten. Das geht mit der virtuellen Kommunikation gut. Helga (Anm: Freund) und ich sind schon am Akquirieren.

Das virtuelle Gespräch führte Elo Resch-Pilcik


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Foto: tip

Autor/in:

Herausgeberin / Chefredakteurin

Elo Resch-Pilcik, Mitgründerin des Profi Reisen Verlags im Jahr 1992, kann sich selbst nach mehr als 30 Jahren Touristik - noch? - nicht auf eine einzelne Lieblingsdestination festlegen.





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