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A. Richard: Tourismus ist viel mehr als die Resi-Tant auf der Alm

Alexander Richard, Geschäftsführer der COLUMBUS Gruppe, sieht die Zukunft für Reisebüros und Veranstalter sowohl im Volumensbereich als auch im Nischen-Produkt.

In das Interview mit tip-online möchte Alexander Richard, Geschäftsführer COLUMBUS Gruppe, auch zwei Mitglieder seiner Geschäftsleitung, Mario Steinwedel (zuständig für Filialen und Veranstalter) und Philipp Schauer (verantwortet die Finanzen), einbinden. Denn ohne deren sowie der Unterstützung seiner weiteren Mitglieder der Geschäftsleitung Robert Rieb (Businesstravel) und Helga Engl-Wurzer (Incoming und Gruppen) hätte er die vergangenen acht Wochen nicht gemeistert, unterstreicht Richard. Faire Partnerschaften sind den Columbus-Lenkern ebenso wichtig wie ein Fokus auf Nischenprodukte sowie die Expansion bei den Standorten.

„Dankbar“ ist Alexander Richard, der ein Beispiel aus der Bibel zitiert, dass in seinem Unternehmen „in den vergangenen Jahren die Speicher“ aufgefüllt wurden.

Neun Fragen, viele Antworten

tip-online: Wie erlebt ihr die aktuelle Situation?
Alexander Richard: Ich persönlich habe immer sehr bewundert, wie Generationen aus den Weltkriegen hervorgegangen sind. Unser Unternehmen wurde 1932 als „Austrobus“ gegründet und hat den Krieg durchgestanden. Für mich ist die Fortführung ein sehr großer Auftrag. Ich bin überzeugt, dass wir das als Unternehmen überstehen und vielleicht auch gestärkt werden. Schon im Alten Testament ist von sieben fetten und sieben dürren Jahren die Rede, als der Pharao Josef nach der Deutung seiner Träume fragte. Josef empfahl dem Pharao, Speicher zu bauen. Ich bin meiner Familie dankbar für den Erfolg der vergangenen Jahre, in denen wir den Speicher füllen konnten. Das gibt uns jetzt die Möglichkeit, etwas zuversichtlicher in die Zukunft zu blicken. Aber es ändert auch nichts an der aktuellen Dramatik. Wir werden noch länger damit leben müssen. Mein Appell lautet, Grenzübertritte wieder möglich zu machen, nicht nur in Europa. Sonst halten das die Volkswirtschaften nicht aus. Wir müssen noch dieses Jahr Reisen wieder möglich machen. Wir werden die schwierige Lage für uns lösen können. Wenn ich für die Branche spreche, dann ist ein Hilfspaket nötig. Die Kurzarbeit hat geholfen und wird höchstwahrscheinlich auf sechs Monate verlängert. Was mir weiter vorschwebt ist eine Abgeltung von 80% der Fixkosten.
Philipp Schauer: Wir sind in Absprache mit verschiedenen Gremien. Es gibt bereits Vorschläge für die bestmögliche Unterstützung für alle, für KMU und große Unternehmen. Die Reisebranche braucht Geld für das, was verloren wurde. In der COLUMBUS Gruppe sind wir in allen Bereichen, Geschäftsreisen, Incoming und Touristik, betroffen. Wir haben unglaublich schnell das gesamte Unternehmen auf Home-Office umgestellt. Da haben uns die Investitionen der vergangenen Monate sehr geholfen. Es ist ein sehr starker Zusammenhalt innerhalb des Unternehmens zu spüren.

tip-online: Habt ihr krisenbedingt Mitarbeiter abbauen müssen bzw. habt ihr an euren Programmen was geändert?
Alexander Richard: Teilweise mussten wir Kündigungen aussprechen, aber das waren Schritte, die wir schon vor der Krise eingeleitet hatten. Unser Busreisen-Programm haben wir eingestellt. Ich bin seit 2005 im Unternehmen. Schon seit damals waren die Busreisen unser Sorgenkind. Mit all den Auflagen wird eine klassische Busreise nicht funktionieren. Was erfolgreich ist, zeigen die Nischen-Veranstalter.
Philipp Schauer: Die Krise hat verstärkt, was schon am Laufen war.

tip-online: Wie reagiert ihr als Veranstalter auf die Stärke der Nischen-Produkte?
Mario Steinwedel: Wir haben schon lange die Weichen gestellt, um das Veranstalter-Produkt zu differenzieren. Diesen Weg gehen wir jetzt weiter. Auf Filial-Ebene wird es auch weiterhin Busreisen geben. Im Großen und Ganzen legen wir aber unseren Fokus auf Nischen wie mit der Reisethek. Und neu mit Airtour Austria, das seit 1. Mai unter dem Dach der COLUMBUS Gruppe ist. Damit haben wir ein weiteres individuelles Produkt nicht für die Masse. Zudem möchten wir zukünftig auch mehr auf nachhaltiges Reisen setzen.
Alexander Richard: Bei dem Produkt von Airtour Austria geht es um gehobenes Erleben in kleinen Gruppen, das kann von der Südsteiermark bis in die Provence reichen. Wir freuen uns, dass wir Peter Gallhofers Lebenswerk weiterführen können, werden dabei aber nicht auf die Reisethek vergessen.

tip-online: COLUMBUS setzt auf Expansion bei den Filialen. Ändert sich da durch die Pandemie etwas daran?
Alexander Richard: Unabhängig von Corona werden wir den Weg, den wir eingeschlagen haben, weiter gestalten. Aktuell halten wie bei 21 Filialen. Wir schauen auf das, was wir haben und optimieren zuerst. In Linz haben wir zwei Filialen zu einer großen am „Südbahnhofmarkt“ zusammengelegt. Wir werden komprimieren, sind aber weiter auf der Suche nach Reisebüros. Wir sperren einen Standort nur zu, wenn wir dafür einen anderen zukaufen bzw. aufsperren können. Wir glauben, dass wir zu jenen gehören, die die Krise überstehen werden, weil die Reisefreiheit wiederkehrt. Sonst halten, wie gesagt, die Volkswirtschaften das nicht durch.

tip-online: Wie seht ihr die Zukunft des Reisebüros?
Philipp Schauer: Durch die Krise wird sich verstärken, was sich schon vorher abgezeichnet hat. Reisebüros sind Spezialisten mit hoher Kompetenz. Gerade aktuell kommen unsere Stärken zum Vorschein.
Mario Steinwedel: Jede Krise hat gezeigt, dass der Kunde sich auf das Reisebüro verlassen kann. Dort sind Menschen für Menschen da. Es wird honoriert, dass Reisebüros mit Rat und Tat in der Not beistehen. Sie unterstützen auch jetzt, nicht zuletzt mit Inspiration für den nächsten Urlaub.

tip-online: Wie hat in der Krise bisher die Zusammenarbeit mit den Partnern funktioniert?
Alexander Richard: Ich bin positiv überrascht, aber auch negativ, wie Partner miteinander umgehen. Ich habe ein gutes Gedächtnis, wer fair mit uns umgegangen ist. Dazu zählt besonders die World of TUI, die sehr fair war. Das war unser wichtigster Partner, von der Erreichbarkeit, von der Unterstützung und auch, dass sie uns Mut zugesprochen haben. Leider gab es aber auch negative Erlebnisse diesbezüglich.
Mario Steinwedel: Auch manch Reederei hat uns enttäuscht. Eine Partnerschaft muss man in guten, wie in schlechten Zeiten leben.

tip-online: In Deutschland denkt man laut über ein neues Verhältnis zwischen Reisebüros und Veranstaltern nach. Wie seht ihr das?
Philipp Schauer: Ich warne vor Schnellschüssen in der aktuellen Situation. Wir haben gesehen, wer unsere Partner sind und auch wir haben uns partnerschaftlich verhalten. So haben wir SEPA Mandate generell nicht storniert. Einseitige Forderungen helfen uns jetzt nicht weiter. Die ganze Branche muss gemeinsam aus der Krise lernen.
Alexander Richard: Wichtig ist, dass fair miteinander umgegangen wird. Man darf diese Forderung aber nicht mit Wünschen vermischen, die schon vor der Krise da waren. Ein Abspeisen mit Zetteln ist indiskutabel. Jetzt geht es um das gemeinsame Überleben. Das Hilfsprogramm der Regierung brauchen alle Reisebüros jetzt, nicht erst 2021.
Mario Steinwedel: Man sollte sich die Pauschalreiserichtlinie noch einmal genau anschauen. Für Reisebüros ist das Geschäft realistisch betrachtet fast nicht mehr möglich. Individuell zusammengestellte Reisen dürfen nicht an dem sehr engen Korsett der Pauschalreiserichtlinie scheitern.

tip-online: Wie wird sich das Reisen durch die Pandemie ändern?
Alexander Richard: Die Reisebeschränkungen werden im Laufe des Sommers fallen. Vielleicht werden wir Plexiglasscheiben im Flugzeug haben? Der Mensch vergisst auch bald und wird weiterhin seinen Kindern die Welt zeigen wollen. Am Airport und in Flugzeugen wird es ein neues Prozedere geben. Das wird eine Flexibilitätsaufgabe, die wir gerne annehmen. Bei der Reiseproduktion können wir wendiger sein und an Tempo zulegen. An dieser Stelle möchte ich mich auch bei allen MitarbeiterInnen von COLUMBUS sehr herzlich bedanken, dass sie die Maßnahmen so mitgetragen haben.
Mario Steinwedel: Mein Wunsch wäre, dass Reisen nachhaltiger werden. Für mich steht fest: Der Mensch war und ist ein Entdecker und wird wieder reisen wollen.
Philipp Schauer: Der Aspekt der Sicherheit wird besonders in den ersten Monaten im Vordergrund stehen.

tip-online: Was ist euer Best Case- / Worst Case-Szenario?
Alexander Richard: Ich bin verstört, dass bei Tourismus in Österreich nur an „Urlaub bei der Resi-Tant auf der Alm“ gedacht wird. Tourismus in Österreich ist viel mehr. Er umfasst Incoming, Outgoing, die österreichischen Flughäfen, Events, Kongresse und vieles andere. Mein Best Case ist, dass Anfang August, also in drei Monaten, die Grenzen wieder aufgesperrt werden und man bei der Heimkehr nicht 14 Tage in Quarantäne muss. Dann kann man im Lauf des August oder September wieder verreisen. Worst Case wäre eine zweite Infektionswelle im Herbst, das würde eine Verschiebung auf März / April 2021 bringen.
Mario Steinwedel: Wir werden lernen, mit dem Virus zu leben. Es wird uns wohl noch ein paar Jahre begleiten. Wichtig ist, dass es wieder ein geeintes Europa gibt, nicht nur nationalstaatliche Alleingänge. Damit wir wieder unbeschwert auf Reisen gehen und die Welt entdecken können. (red.)


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Foto: tip

Autor/in:

Herausgeberin / Chefredakteurin

Elo Resch-Pilcik, Mitgründerin des Profi Reisen Verlags im Jahr 1992, kann sich selbst nach mehr als 30 Jahren Touristik - noch? - nicht auf eine einzelne Lieblingsdestination festlegen.





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