| news | reisebüro» flug

Vorkasse / Entschädigung für Mehraufwand: Gegenwind für Airlines

Artikel der aktuellen tip Print-Ausgabe: Die teilweise chaotischen Zustände auf Airports und bei Fluglinien beim Restart stellen Touristikpartner und Kunden vor endlose Geduldsproben. Beide Seiten wehren sich - mit Forderungen nach Entschädigung für den Mehraufwand bzw. nach einem Ende der Vorkasse beim Ticketkauf.

Als hätten Reisebüros und Veranstalter in den Monaten nach Ausbruch der Pandemie nicht schon genug zu kämpfen gehabt. Mit Stornierungen, Umbuchungen, Refunds. Nachdem im letzten Halbjahr die Reiselust sprunghaft angestiegen ist, könnte alles wieder gut sein. Ist es aber nicht. Bekanntlich haben viele Fluglinien - und auch Airports - während der Pandemie ihr Personal drastisch reduziert. Viele Dienstleistungen, die an private Unternehmen ausgelagert wurden, können nicht mehr in vollem Ausmaß angeboten werden. Die Folgen: Flugstreichungen- oder verschiebungen, Ärger mit dem Gepäck, endlose Warteschlangen.

Auch wenn das Bild, das der tägliche Blick in Tages- und Soziale Medien suggeriert, auf Österreich nicht ganz zutrifft. Die Abläufe am Vienna Airport laufen weitgehend rund. Grund dafür ist, dass fast alle Servicedienste bei der Flughafen Wien AG angesiedelt sind. Der Home Carrier Austrian hat, im Vergleich zu seinen Schwestern Lufthansa, Swiss und Eurowings, deutlich weniger Verbindungen gestrichen.

Bestehen auf Auszahlung

Dennoch ist der Mehraufwand an Zeit und Kosten, der Reisebüros durch die Instabilität der Flugpläne entsteht, enorm. So haben sich die Fachverbände ÖRV, DRV und SRV zu einem gemeinsamen Vorgehen entschlossen. Ziel der Verhandlungen mit der Lufthansa Gruppe ist eine Entschädigung für den enormen Mehraufwand, der durch die vielen Streichungen und Verschiebungen entsteht. Gleich vorweg: Richtig Bewegung ist in die Sache – noch? – nicht gekommen.

Der ÖRV hat vergangene Woche ein Schreiben an die AUA-Vorstände Mann und Trestl gerichtet. Darin heißt es: „…. Nach den uns vorliegenden Informationen hat LH ihr letztes Angebot verbessert; nach wie vor soll LH aber nur bereit sein, die Abgeltung des Mehraufwandes als Incentive auszubezahlen. Die Branchenverbände bestehen aber auf eine Auszahlung des tatsächlichen Mehraufwandes. Im Namen des ÖRV Flugausschusses darf ich deponieren, dass wir bei einer Einigung zwischen DRV und LH davon ausgehen, dass diese Regelung zumindest 1:1 im österreichischen Markt umgesetzt wird.“
Zu Redaktionsschluss gab es noch keine Reaktion der AUA. In Deutschland setzt der DRV seine Verhandlungen weiter fort. Der SRV soll im September ein Gespräch mit dem Management der Swiss führen.

Sehr verärgert

In den vergangenen Monaten hat sich u.a. Felix König, Geschäftsführer Reisewelt und Fachgruppenobmann-Stellvertreter der WK Oberösterreich, in seiner Doppelfunktion mehrmals öffentlich zum Thema „Mehraufwand“ geäußert. Obwohl auch bisher keine Reaktion erhalten hat, ist er dennoch zuversichtlich, etwas bewirken zu können. „Die Airlines sollen sehen, dass wir wirklich sehr verärgert sind, da wir einen enormen Mehraufwand auf uns nehmen. Wir haben unglaublich viel für die Fluglinien getan – und das wollen wir auch honoriert haben.“ Was die Airlines aktuell anbieten, sei nicht zufriedenstellend, so König weiter. Dazu zählt u.a. ein Incentive, das jedoch erst im nächsten Jahr fließen soll. Die Aufwendungen sind aber schon heuer angefallen.
Die Äußerungen in der Öffentlichkeit sieht hingegen Elisabeth Kneissl-Neumayer, Geschäftsführerin Kneissl Touristik, kritisch. Sie hält nichts davon, das Thema außerhalb der Branche abzuhandeln. Die mediale Dauerpräsenz von „Flugchaos“ würde potenzielle Reisende nur abschrecken, so die Unternehmerin sinngemäß.

RBs sollen für Flugverspätungen haften

Noch einen Schritt weiter in Richtung absurdes Theater geht das Verkehrsministerium in den USA. Demnach ist geplant, dass künftig Reisebüros ebenso wie Airlines für Rückerstattungen der Ticketkosten haften, wenn Flüge verspätet oder gecancelt werden. Das Reisebüro müsste dann die Rückerstattungen übernehmen, auch wenn es nicht in Besitz der Ticketkosten wäre und unabhängig davon, ob das Unternehmen der Kreditkartenhändler sei, erklärt das Fachmagazin „Travel Weekly“.

Ende der Vorkasse gefordert

In Deutschland haben derweil die Flugverspätungen die Regierung in Niedersachsen zu einem Vorstoß animiert: Gefordert wird, dass bei Flug- wie auch Reisebuchungen das Vorkasse-Prinzip abgeschafft wird. Diesen Ansatz vertritt die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) schon seit Längerem. Ziel sei, den Verbraucherschutz deutlich zu verbessern. Bei der Vorkasse handle es sich „quasi um einen zinslosen Kredit der KundInnen an die Fluggesellschaften“, heißt es aus dem Bundesministerium für Verbraucherschutz in Berlin. Sollte es bei Ansprüchen auf Entschädigungen und Erstattungen künftig weiterhin unrund laufen, so würde die Vorkasse-Praxis komplett auf den Prüfstand gestellt, so die sinngemäße Botschaft des Ministeriums an die Fluglinien.

Folgenschwere Entscheidung

Aus Sicht der Airlines wäre eine Abschaffung der Vorkasse nicht zu rechtfertigen. Die Planungssicherheit würde verloren gehen. Die Gefahr, dass schlecht ausgelastete Flüge kurzfristig abgesagt würden, würde steigen. Das Risiko würden Fluglinien über höhere Ticketpreise ausgleichen müssen.
Und dann bleibt noch die Frage, wie eine Umstellung auf ein anderes System zu finanzieren wäre. Laut Brancheninsidern würden selbst gut aufgestellte Airlines bei einer Streichung des Vorkasse-Prinzips nur wenige Wochen bis maximal drei Monate überleben. Was dann auch wieder nicht im Sinne des Konsumentenschutzes sein kann. (red)


  flug, fluglinien, airlines, restart, vorkassa, mehraufwand, agents, reisebüro, reisebüroagents, ticketkauf, flugticket


Der Artikel hat Ihnen gefallen? Wir freuen uns, wenn sie diesen teilen!





Foto: tip

Autor/in:

Herausgeberin / Chefredakteurin

Elo Resch-Pilcik, Mitgründerin des Profi Reisen Verlags im Jahr 1992, kann sich selbst nach mehr als 30 Jahren Touristik - noch? - nicht auf eine einzelne Lieblingsdestination festlegen.





Advertising




Tägliche Touristik News für Reisebüro Agents, Counter, Veranstalter, Fluglinien, Kreuzfahrten
Copyright © für alle Artikel: tip / tip-online.at & Profi Reisen Verlagsgesellschaft m.b.H.