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Gastkommentar: Allein unter Influencern

Die Hostelkette a&o hat das Marketing mit Instagram- & YouTube-Stars gestoppt. „Wenig redaktionelle Kontrolle, kaum messbarer direkter Impact, dazu unverhältnismäßig hohe Kosten“, lautet die Begründung von a&o. Für viele Touristiker ist Influencer-Marketing noch das Gelbe vom Ei zeitgemäßer Content-Werbung. Reise- & Videojournalist Claudius Rajchl war kürzlich einziger österreichischer Teilnehmer eines internationalen „Influencer-Trips“ in Indonesien und hat beobachtet, was Influencer so tun.

Wonderful Indonesia!“ Das Transparent mit dem Logo des Tourismusministeriums ist stets mit dabei: ob vorm höchsten Turm Jakartas, im Affenwald von Ubud auf Bali oder am herrlichen Aussichtspunkt von Piaynemo, von wo aus man die unbekannte Inselwelt Raja Ampat bewundern kann. Die Gruppenbilder dienen als Report ans Ministerium, dass die zigtausend Instagram-Fans zählende Schar aus Frankreich, Deutschland, der Türkei, der Ukraine, Spanien und Serbien auch wirklich an allen „instagramablen“ Orten der Reise anwesend ist.

Einer fehlt immer

Obwohl - einer fehlt immer, und es gibt eine Erklärung dafür: Um ihre Fans bei Laune zu halten, sind Influencer stets darauf bedacht, dass das Outfit passt, haben oft eine Tasche voll Klamotten zum Umziehen dabei. Und nutzen den mehr oder weniger straff organisierten Tagesablauf dazu, Selfies vor der richtigen Kulisse zu schießen. Manche ignorieren Sicherheits-Absperrungen, um besonders waghalsige Selfies zu produzieren. Einige haben Drohnen dabei, die sie um sich selbst kreisen lassen. Da bleibt manchmal keine Zeit fürs Gruppenfoto.

Destination als Kulisse, Einheimische als Staffage

Man hilft sich gegenseitig beim Fotografieren. Manche haben den Dreh um die eigene Achse perfektioniert, so dass Haare und Kleid elegant in Bewegung und Likes der Fan-Gemeinde garantiert sind. Die Destination dient als Kulisse. Was der Guide erzählt, ist uninteressant. Der beendet bald seine Ausführungen, schaut schmunzelnd dem Treiben zu und freut sich, wenn jemand eine Frage stellt.

Manche nützen einheimische Kinder als Staffage für die Selbstdarstellung. Ein französischer Influencer mit Model-Qualitäten zeigt sich bevorzugt mit nacktem Oberkörper und beginnt auf der Friwen Insel mit einem spielenden Kind eine Rauferei. Dem Buben taugt’s, der Instagram-Star posiert mit ihm im Holzboot, am Strand, mit Kokosnüssen. Sein Kollege hält alles im Bild fest. Jeder Influencer hat seinen eigenen Stil. Manche arbeiten als professionelle Content-Marketer. Das sind jene, die sich tatsächlich für die Destination interessieren. Ein türkisches Ehepaar werkt z. B. in Istanbul als Multimedia-Spezialisten. Die beiden haben eine TV-Show. Instagram ist für sie ein wichtiger, aber nicht der einzige Aspekt des Content-Marketings im Tourismus.

Andere haben verschiedenste Konsumgüter mit dabei: Die stellen sie dann vor den perfekten Hintergrund. So wird die Trauminsel zum Präsentierteller für Produkte, die mit Regionalität wenig zu tun haben. Dafür rollt der Rubel.

Reisplantage mit Schaukel und Herzerl-Bank

Auf Bali besuchen wir in Ubud die Tegalalang Reisterrasse, wo ich keinen einzigen Arbeiter entdecke und auch keine Informationen über den Reisanbau erhalte. Dafür aber etliche „instagramable“ Locations: eine Schaukel, eine Bank mit Riesen-Herz aus Blumen, ein „Bilderbuch-Balinese“, der mit dem typischen Spitzhut am Kopf bereitwillig für Fotos und Selfies zur Verfügung steht. Manche Orte sind also schon auf dem Zug der Selbstdarstellung und inszenieren sich selbst. Dass Influencer Einfluss haben, steht außer Zweifel: Die Studie eines Ferienhaus-Versicherers ergab, dass 40% der 18- bis 33-jährigen Reiseziele nach deren „Instagramability“ aussuchen. Ein Umstand, auf den auch Veranstalter wie TUI mit neuen Angeboten für Instagramer reagieren, um diesen Markt nicht Airlines und Privatzimmervermietern á la AirBnB alleine zu überlassen. Ob der Einfluss von Instagram-Selbstdarstellern, denen die Destination herzlich egal ist, gedeihlich für nachhaltigen Tourismus ist, sei dahingestellt.

Interessierte Blogger

Es gibt auch Positiv-Beispiele: Im Sommer durfte ich mit Bloggern das Kärntner Kloster Wernberg besuchen, wo Nonnen mit unglaublichem Einfallsreichtum Landwirtschaft und Arbeitslosenprojekte unter einen Hut bringen. Die Blogger stellten kluge Fragen, es ergaben sich spannende Gespräche und in den Blogbeiträgen fand sich die Geschichte von Wernberg in zahlreichen Facetten und mit persönlichen Eindrücken ganz unterschiedlich erzählt. Als Gegenstand der Berichterstattung blieb das Kloster im Fokus.

Typisches Asien – uninstagramable?

Am letzten Tag in der indonesischen Hauptstadt Jakarta stand der Besuch eines Shoppingcenters am Programm. Diesmal spritze ich das Gruppenfoto und fahre mit einem Motorradtaxi in einen Bezirk, wo sich Instagramer eher selten hin verirren: Der „Bird Market“ ist ein bizarrer Bezirk der Vögel, wo es überall zwitschert und gefiederte Gesellen den Alltag bestimmen. Vielleicht kein „instagramabler“ Ort, aber einer, wo man noch typisches Asien erleben kann. (red)

Anmerkung: Untenstehend finden Sie das Video von Claudius Rajchl über den Bird Market in Jakarta Beurteilen Sie selbst, ob das typische Asien „instagramable“ ist – wir finden es ist es!


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Foto: Traveltv.at

Autor/in:

Claudius ist Reise- und Videojournalist sowie Geschäftsführer seines Unternehmens traveltv.at. Ursprünglich im klassischen Print-Journalismus daheim, realisiert er neben Stories, Videos und Insider-Tipps auch kreative Content- und Kampagnen-Ideen mit Partnern wie dem Profi Reisen Verlag, oruvision und anderen Medienpartnern. Motto seines Unternehmens: „Wir bewegen Reiseträume. Im Mittelpunkt steht der Mensch und seine Kunst, seine Träume zu leben.“





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