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Schritt für Schritt zur Einsicht

Eine Pilgerwanderreise in Israel, zusammen mit rund 20 Theologen, Vertretern kirchennaher Organisationen, evangelischen und katholischen Christen, die von Nazareth auf den Spuren Jesu zum leeren Grab wandeln wollen? Interessant, aber nicht mein Ding. Andererseits: In kleinen Schritten lässt sich ein Land viel intensiver erleben. Auch der Seele wird das gemächliche Tempo gut tun. Soll ich oder soll ich nicht?

Meine Skepsis ist groß: Ich bin nicht religiös, an Kirchen interessieren mich ausschließlich die kunstgeschichtlichen Aspekte. Wie passe ich in diese Gruppe bzw. diese Gruppe zu mir? Doch die Schöpfer des „Jerusalemwegs“, Gedi, Tzachi und Georg, überzeugen mich: Es geht um mehr, um Spiritualität, um authentische Begegnungen und natürlich ums Wandern. In biblischer Landschaft. Und vielleicht finde ich ja auch eine Antwort, warum ausgerechnet in Israel die bedeutendsten Heiligtümer der drei monotheistischen Weltreligionen ihren Standort haben? Meine Neugier siegt, ich sage zu.

Große Oper

Ausgangspunkt unserer Wanderung ist die Verkündigungskirche in Nazareth, von der es durch das grüne Hügelland Galiläas weiter nach Zippori zur ersten Rast geht. Im Schatten uralter Olivenbäume liest Marianne eine Stelle aus dem Lukas-Evangelium. Meine Gedanken schweifen ab. Bis Georg das Wort ergreift. Er präsentiert uns Leben und Leiden Christi als Große Oper: Die Ouvertüre bildet der Erzengel Gabriel, der Maria die Geburt eines Sohnes verkündet. Zeitlich fällt sein Erscheinen in die Herrschaft von König Herodes, dem Zippori von 4.v. bis 36 n. Chr. als Königsstadt gedient hat. Weiter geht es mit den Stationen der Passion Jesu, die Georg in ihrem historischen Kontext beleuchtet, den er wiederum mit modernen soziologischen Interpretationen höchst vergnüglich auflockert – quicklebendig werden die Bibel und ihre Figuren unter seiner Regie.

Wasser zu Wein

In Kana, wo das erste Wunder Jesu, die Verwandlung von Wasser zu Wein, angesiedelt wird, sind rund ein Viertel der knapp 25.000 Einwohner arabische Christen. So wie Sami und Suad. Vor fünf Jahren haben die beiden begonnen, ihr „Cana Guest House“ aufzubauen. „Nachdem die Kinder ausgezogen waren, haben wir mit zwei Zimmern angefangen – heute haben wir Platz für 45 Gäste“, erzählt Suad in fließendem Englisch. Die Zwei- bis Vierbettzimmer sind denkbar einfach, aber blitzsauber. Der Empfang, den die vielköpfige Familie uns bereitet, ist umwerfend: 25 verschwitzte Wanderer mit dreckigen Schuhen werden warm willkommen geheißen, ins kühle Wohnzimmer gebeten und mit reichlich Erfrischungen verwöhnt. Das geht weit über die traditionelle orientalische Gastfreundschaft hinaus.

Das fünfte Evangelium

Um der Mittagshitze zu entgehen, brechen wir um fünf Uhr vom orthodoxen Kibbuz Lavi auf und erreichen nach gut zweistündiger Wanderung durch Felder und Hügel die „Hörner von Hittim“. Auf dieser von zwei Spitzen gekrönten Anhöhe hat Saladdin, Sultan von Ägypten und Syrien, 1187 den europäischen Kreuzrittern die entscheidende Niederlage zugefügt und so seinen Weg nach Jerusalem geebnet. Uns bietet sich ein mystischer Anblick dar. Im Dunst schimmert in der Ferne silbrig der See Genezareth, die tief stehende Morgensonne verleiht den Hörnern eine Aureole aus weichem Licht. Ein unwirklich schöner Anblick, der uns sprachlos macht. So erschließt sich auch mir der Ansatz, dass die Landschaft Israels als das fünfte Evangelium bezeichnet wird. Hat man dieses „gelesen“, so heißt es, versteht man auch die anderen vier aus dem Neuen Testament.

Phantastischer Farbenzauber

Wieder geht es lang vor Sonnenaufgang los. Die heutige Etappe führt uns durch die Judäische Wüste, von der Senke des Toten Meeres durch das Wadi Og in Richtung Jerusalem. Im Morgengrauen trotten wir den steinigen Weg hinauf zur Kante des Jordanischen Grabenbruchs. Blassblaues Licht streift die Gipfel, die schwarzen Schatten werden verdrängt, die Sonne ist mit einem zartrosa Schimmer zu erahnen. Im Licht der ersten Strahlen offenbart sich mir ein Naturschauspiel, das mich in ehrfürchtiges Staunen versetzt. Unter mir das Tote Meer, fruchtbare Plantagen, rund um mich karge Steinwüste, nicht ein Zweig Grün. Alles ist still. Tief einatmen und spüren. Eine leichte Brise, zarte Wärme, die Größe der Natur – der Schöpfung, wie es in der Bibel heißt. Im milden Licht der ersten Sonnenstrahlen ziehen wir weiter, schweigend, im Gänsemarsch, einen Fuß vor den anderen. Spiritualität lässt sich in vielen Formen erfahren.

Meine erste Reise nach Israel hat längst nicht alle Fragen beantwortet, im Gegenteil, viele neue sind hinzugekommen. Aber auch die Einsicht, dass eine Pilgerwanderung, die so angelegt ist wie unsere, nur eine Voraussetzung braucht: Beweglichkeit – im Geist und in den Beinen.

 

Israel kompakt

  • Sicherheit:Seit November 2012 empfiehlt das Staatliche Israelische Fremdenverkehrsamt Reisenden, die Internetseiten des Außenministeriums für aktuelle Informationen und Reisehinweise zu konsultieren. Reisende sollten die Lageentwicklung aufmerksam verfolgen. Von Aufenthalten im Grenzgebiet zum Gaza-Streifen wird abgeraten.
  • Reisen nach Palästina: Die touristischen Hauptorte auf palästinensischem Verwaltungsgebiet, Bethlehem und Jericho, können problemlos und ohne zusätzliche Genehmigung besucht werden. Für andere Orte in Palästina wird empfohlen, vorher Kontakt mit dem IDF PR-Büro aufzunehmen. Das Westjordanland wird – je nach Geisteshaltung und politischer Einstellung – als „besetztes Gebiet“, als „Palästina“ oder als „Israelisches Siedlungsgebiet“ bezeichnet.
  • Unterkünfte: Eine Auswahl einfacher Unterkünfte entlang des „Jerusalemwegs“:
    Rosary Sisters’ Guest House, Nazareth, www.rsisters.com
    Fauzi Azar Inn, Nazareth, www.fauziazarinn.com
    Cana Guest House, Kfar Cana, www.canaguesthouse.com Kibbuz Lavi, hotel.lavi.co.il
    Kibbuz Almog, Totes Meer, www.almog.org.il
    Ecce Homo Kloster, Jerusalem, www.notredamedesion.org
Die Wanderroute

Tag 1: Nazareth – Zippori - Kana
Tag 2: Kibbuz Lavi - Hörner von Hittim - Taubental - See Genezareth
Tag 3: Totes Meer - Wadi Og - Mishor Adumim vor den Toren Jerusalems
Tag 4: Oberer Verlauf des Wadi Kelt, Ein Fawwar - Kloster Charitoun und Skopus-Berg - Gethsemane - Altstadt von Jerusalem
Die täglichen Wanderzeiten liegen zwischen fünf und sieben Stunden und sind für durchschnittlich trainierte Menschen jeden Alters durchaus zu bewältigen.

Ausrüstung

Bequeme Wanderschuhe, Sonnschutz, Kopfbedeckung, Tagesrucksack, der Platz für 2 x 1,5l Wasserflaschen bietet, ev. Wanderstöcke

Veranstalter

SK Tours in Nature www.sktours.net
Auch in den Programmen von Wikinger Reisen, Bayrisches Pilgerreisebüro, Biblische Reisen. Buchbar in jedem guten Reisebüro.

Weitere Informationen www.goisrael.de

 

Zur Autorin Elo Resch-Pilcik, Verlegerin und Herausgeberin von reisetipps sowie den Fachzeitungen tip und tma, war auf Einladung des Staatlichen Israelischen Fremdenverkehrsamtes, El Al und SK Tours in Nature unterwegs. 


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Foto: tip

Autor/in:

Herausgeberin / Chefredakteurin

Elo Resch-Pilcik, Mitgründerin des Profi Reisen Verlags im Jahr 1992, kann sich selbst nach mehr als 30 Jahren Touristik - noch? - nicht auf eine einzelne Lieblingsdestination festlegen.





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