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Südkorea: Der Tiger greift an

Hand auf´s Herz: Was wissen wir Europäer schon über Südkorea? Viel mehr als der nicht enden wollende und immer wieder eskalierende Konflikt zwischen zwei grundverschiedenen Staaten, die einmal einer waren und heute in „Nord“ und „Süd“ aufgeteilt sind, will nicht so recht zu uns durchdringen. Dabei sei das touristische Potenzial Südkoreas, das einst aufgrund seines rasanten Wirtschaftswachstums als „Tigerstaat“ bezeichnet wurde, enorm, obwohl „wir touristisch noch in den Kinderschuhen stecken“, gibt Charm Lee, Direktor von Korean Tourism Organization (KTO), zu. Und er hat Recht – mit beidem.

Auf die Frage, was denn der wesentlichste Anreiz für eine Reise nach Südkorea sein könnte, antwortet Charm Lee bei einem gemütlichen Abendessen in Seoul ohne zu überlegen: „Die Energie“, und genießt sichtlich den Blick in die Runde voll fragender Gesichter. Nach wenigen Tagen Aufenthalt offenbart sich allerdings bald, was der in Deutschland geborene Korea-Profi und –Liebhaber damit meint. Der mit dem Ende des Korea-Kriegs im Jahr 1953 begonnene rasante Aufstieg innerhalb weniger Jahrzehnte von einem Entwicklungsland, gezeichnet von Kriegsnachwehen, Verwüstung und Armut, zu einer Industrienation und aufsteigenden Wirtschaftsmacht hat Südkorea sein heutiges Antlitz verliehen. Die Bezeichnung „Tigerstaat“, die Südkorea in den 1980er-Jahren aufgrund des erfolgreichen wirtschaftlichen Aufbaus verliehen wurde, ist heute nicht mehr zutreffend. Denn wirtschaftlich hat es das ostasiatische Land mit seinen etwa 50 Mio. Einwohnern schon längst „geschafft“: Unternehmen wie Samsung, LG, Hyundai oder Kia gelten längst als „Global Player“ im internationalen Wettbewerb und haben viel zum heutigen „kleinen Wohlstand der Südkoreaner“ beigetragen, wie Charm Lee es ausdrückt. Als Gastgeber bedeutender Events, wie der Fußball-Weltmeisterschaft im Jahr 2002 oder dem G20-Gipfel im Jahr 2010, hat sich Südkorea längst zu Recht einen Namen gemacht. Ein Markt hat sich allerdings erst spärlich etabliert: der Tourismus. Vor allem jener aus Europa. Es wird sich noch zeigen, ob Südkorea auch hier ein „Tiger“ sein kann. Die notwendige Energie dafür – so viel steht fest – ist definitiv vorhanden.

Mehr Ästhetik und Freiraum
Südkoreas Hauptstadt Seoul mit ihren etwa 10,5 Mio. Einwohnern ist wohl das, was man gemeinhin als hochmoderne Stadt bezeichnen würde: Hohe, imposante Gebäude mit raffinierter Architektur, breite Straßen, teilweise leider mit viel Verkehr, dafür aber wenig Chaos, ein ausgedehntes Gastronomieangebot und zahlreiche Einkaufsstraßen und Shopping Center – allen voran das quirlige Viertel Insadong. Dabei entgehen dem Auge des genaueren Betrachters allerdings nicht die zahlreichen intensiven Bemühungen der Stadt um mehr Ästhetik und Freiraum. So wurden, auch dank des wachsenden Umweltbewusstseins der Südkoreaner in den vergangenen Jahren, zahlreiche Grünflächen angelegt, die heute zum Sport treiben, Relaxen und Spazierengehen einladen. Die „Perle“ aller Freizeitparks und Grünoasen Seouls ist der Namsan-Erholungspark, der sich an den Hängen des Namsan-Berges in der Mitte Seouls hinzieht. Etliche sich windende Pfade machen den Namsan-Park zum idealen Ort, um sich am Ende eines anstrengenden Tages zu entspannen. Den 265m hohen Namsan-Berg erklimmt man am besten über Treppen, die am Botanischen Garten vorbei zum Palgakjeong-Pavillon und schließlich zum Fernsehturm N Seoul Tower führen. Wer für diesen Aufstieg allerdings schon zu müde ist, kann auch die Seilbahn vom Fuße des Berges oder die besonders umweltfreundlichen, weil elektrisch betriebenen, kreischgrünen und erdnussförmigen Touristenbusse mit der Aufschrift „Namsan Tour“ nehmen, die von mehreren Stationen aus starten. Private Fahrzeuge sind hier nicht mehr gestattet, um die Luftverschmutzung im Erholungspark auf einem niedrigen Niveau zu halten. Vom Observatorium des N Seoul Towers genießt man einen herrlichen 360°-Rundblick auf Seoul, der die tatsächlichen Dimensionen der Millionen-Metropole erst erahnen lässt und den man sich daher keinesfalls entgehen lassen sollte.

Kultur auf Koreanisch
Auch kulturell punktet Seoul in vielerlei Hinsicht. Eine klassische Altstadt oder einen historischen Stadtkern darf man sich hier zwar nicht erwarten, doch allein die Palastanlage Gyeongbokgung erzählt etliche spannende Geschichten von ehemaligen koreanischen Dynastien und ihrem Erbe. Die Thronhalle Geunjeongjeon, der Pavillon Gyeonghoeru an einem Lotusteich, der Pavillon Hyangwonjeong und viele andere Gebäude bestechen durch ihre architektonische Zurückhaltung, die im Vergleich zu europäischen „Prunkbauten“ erfrischend klar, offen und „straight“ wirkt. Die gepflegte, weitläufige Gartenlandschaft des Gyeongbokgung-Palasts versetzt seine Besucher zurück in die Joseon-Dynastie, die Seoul vor sechs Jahrhunderten zur Hauptstadt seines Reiches machte. Besonders während der eindrucksvollen Zeremonien zur Wachablöse, bei denen traditionelle Kostüme und Musikinstrumente eingesetzt werden, kann man die schillernde und lebhafte Metropole rings um sich schon mal vergessen. Auf dem Gelände des Gyeongbokgung-Palastes befindet sich auch das Nationale Folkloremuseum. Nebst seiner Bedeutung als Schaufenster für die Lebensweise der Koreaner von vorgeschichtlichen Zeiten bis zur Joseon-Dynastie, bringt es seinen Besuchern auch den „Korean Way of Life“ näher. Keinesfalls entgehen lassen sollte man sich in Seoul auch einen Besuch des renaturierten Cheonggyecheon-Flusses, der zu den größten Projekten der Stadtverwaltung gehört und sich heute, ganz nach dem Motto „Natur in der Großstadt“, als Erholungsort bei Einheimischen wie Touristen gleichermaßen großer Beliebtheit erfreut.

Unbekanntes Asien
Abgesehen von seiner dynamisch-lebendigen Hauptstadt ist Südkorea vor allem landschaftlich sehr reizvoll, gehört die Halbinsel doch zu den gebirgigsten Gegenden der Welt. Besonders schöne Gebirgszüge findet man insbesondere im Osten des Landes, wo die Berge steil ins Meer abfallen und eine wild-romantische Natur den Besucher in ihren Bann zieht. In einem Tal im Osten Südkoreas, in dem zahlreiche historische Bauten, Tempel und Kunstschätze konzentriert sind und das aus diesem Grund als eine Art „Freilichtmuseum“ gilt, liegt die Stadt Gyeongju. Im Zentrum der historisch bedeutsamen Stadt befindet sich der Tumuli-Park, wo eine Ansammlung von mit Gras bewachsenen Hügeln an eine Landschaft aus Michael Endes „Unendlicher Geschichte“ oder aber auch an das Teletubby-Land erinnert. In Wirklichkeit sind die 23 saftig grünen Hügelchen von bis zu 15m Höhe ein Konglomerat an Königsgräbern aus der Silla-Dynastie im zehnten Jahrhundert. Insgesamt gibt es davon mehr als 200 in der Umgebung von Gyeongju. Zwischen den Hügeln schlängeln sich malerische Wege und führen an kleinen Bambuswäldern und Ginkgo-Bäumen vorbei, während leise, mystisch anmutende Musik und die klare, würzige Luft die Spaziergänger in längst vergangene Zeiten versetzen. Erholung und Erfrischung bietet im Anschluss der Anapji-Teich in Gyeongju, wo sich besonders gerne jung verliebte Paare tummeln, um für wenige Augenblicke der strengen Beobachtung der älteren Generation zu entfliehen. Südöstlich von Gyeongju befindet sich der 1.300 Jahre alte Bulguksa-Tempel, der unter UNESCO-Schutz steht und als bedeutendster Tempel Südkoreas gilt. Die ausgedehnte Tempelanlage erlangte bereits im Jahr 752 ihre heutigen Ausmaße. Alle Steinbrücken, Treppen und Pagoden sind noch Originalwerke aus der Silla-Epoche. Eine Entdeckungstour quer durch die Anlage kommt einem stillen Eintauchen in ein Stück weitgehend unbekannter asiatischer Kulturgeschichte gleich.

DRV-Tagung in Daegu
Den Tourismus aus Europa so richtig ankurbeln soll unter anderem die diesjährige DRV-Tagung vom 24. bis 26. November 2011 in Daegu. KTO setzt große Hoffnung in den Event, der nach zwölf Jahren wieder in einem asiatischen Land stattfindet, und rechnet mit bis zu 700 Teilnehmern. Die grüne Großstadt gilt als Textil- und Mode-„Mekka“ sowie als Bildungs- und kulturelles Zentrum des Südostens des Landes. „Es ist unser erklärtes Ziel, Daegu auch als Tagungs- und Event-Destination der Zukunft zu positionieren“, erklärt der Bürgermeister der Stadt Kim Bumil. Noch vor der DRV-Tagung findet hier die Leichtathletik-Weltmeisterschaft 2011 statt, im Jahr 2013 der World Energy Congress. „Auch der Tourismus spielt für Daegu eine immer größere Rolle, nicht zuletzt dank der zahlreichen UNESCO-Welterbestätten in der Region“, so Kim. Die 61. DRV-Jahrestagung wird im modernen und bestens ausgestatteten EXCO Kongresszentrum stattfinden, dessen Erweiterungsbau erst im Mai 2011 eröffnet wurde. Von Daegu aus sind die historischen Stätten von Gyeongju gut zu erreichen und auch die Berge rund um die Stadt mit ihren zahlreichen buddhistischen Tempeln eignen sich für Ausflüge. Eine Oase mitten in der Stadt bildet der Gyeongsang Gamyeong Park mit seinen Wiesen, Blumen und Bäumen. Der Seomun Markt in Daegu besteht aus mehr als 4.000 individuellen Geschäften. Viele davon sind auf Mode und Textilien spezialisiert, wo man von „hip“ und „cool“ bis zu traditionell und folkloristisch so gut wie alles findet.

Essen nach 5 Elementen
Die richtige Ernährung nimmt im Leben der Koreaner eine ganz besondere Rolle ein. Koreanische Gerichte sollen der traditionellen Überzeugung nach Energie geben – nicht nur zur Stärkung des Körpers, sondern auch zur Kräftigung von Geist und Seele. Die Prinzipien von Yin und Yang, symbolhaft auch auf Südkoreas Nationalflagge dargestellt, und die Theorie der Fünf Elemente Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser erklären in der koreanischen Überlieferung alles Wachstum und alle Wechselwirkungen der Welt. Fermentierung ist ein wesentlicher Bestandteil der koreanischen Küche, da dieser Prozess den Nährwert der Zutaten erhöht und die dabei entstehenden Milchsäurebakterien zahlreiche Gesundheitsvorteile bringen. Nicht ohne Grund wurde das knackig-scharfe Kimchi, Koreas bekanntestes Gericht, vom Fachmagazin Health zu einem der gesündesten Gerichte der Welt erklärt. Ein Aufenthalt in Südkorea ist praktisch unvermeidlich mit bewusster Ernährung verbunden, hinter der sich die große Philosophie eines ganzen Volkes verbirgt. (red)


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Redakteur / Managing Editor

Dieter ist seit fast 25 Jahren wichtiger Teil des Profi Reisen Verlag-Teams. Fast jedes geschriebene Wort, das die Redaktion verlässt, geht über seinen Schreibtisch.





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